Markt Indersdorf:O'zapft is

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Um neue Einnahmequellen zu generieren, eröffnen die Kienings auf ihrem Hof eine Milchtankstelle.

Von Benjamin Emonts, Markt Indersdorf

Die kleine Kuh aus Stein war einst ein Geburtstagsgeschenk für Gabriele Kiening. Die Skulptur stand fast unbemerkt in einem Blumenbeet neben dem Misthaufen. Inzwischen muss sich die Kuh in den Dienst der Familie stellen. Sie ist jetzt neben der nagelneuen, eigenhändig gezimmerten Gartenhütte platziert, kurz nach der Hofeinfahrt. Von hier aus soll die Skulptur Neugierige und Kinder in die Hütte locken - zur neuen Milchtankstelle der Familie Kiening. Sozusagen als Hoffnungsträgerin für bessere Zeiten.

Die Not hat die Kienings erfinderisch gemacht. Ihr Milchviehbetrieb in Niederroth läuft nicht mehr gut, seitdem die Milchpreise derart in den Keller gerasselt sind. Erst kürzlich nahmen Vater und Sohn, beide heißen Martin, auf einer großen Kundgebung in München teil, um ihrem Ärger Luft zu verschaffen. Doch wissen sie auch: Protestieren allein hilft nicht. Eine Erkenntnis, die sie auf die Idee mit der Milchtankstelle gebracht hat.

Das Zapfen ist kinderleicht

Was bleibt ihnen für eine Wahl, als neue Wege der regionalen Vermarktung zu finden? Mit den aktuellen Milch- und Getreidepreisen sei ihr Betrieb schlichtweg unrentabel, sagen sie. "Die Subventionen halten den Betrieb gerade so am Laufen, damit unsere Unkosten gedeckt sind", sagt Kiening senior. "Von Entlohnung unserer Arbeit kann keine Rede sein." Die Milchtankstelle bietet nun die Möglichkeit, zumindest einen Teil der Milch vorbei an den Molkereien und den Discountern selbst zu vermarkten. Der Vorgang an sich ist kinderleicht, wie Martin junior vorführt: Er wirft einen Euro in den glänzenden Automaten, öffnet eine Klappe und stellt eine Glasflasche hinein. Während er die Klappe offen hält, fließt aus einer Düse solange Rohmilch, bis das Gefäß randvoll ist. Es bietet sich ein schmackhafter Anblick. Der Liter Frischmilch kostet einen Euro.

Das Geschäft läuft erst langsam an. Noch haben die Kienings keine Werbung für ihre neue Errungenschaft gemacht. An beiden Seiten der Hofeinfahrt in Niederroth weisen lediglich zwei blaue Schilder auf die Milchtankstelle hin - und von innen grüßt die steinerne Kuh. In der Gartenhütte - der Boden ist fein säuberlich gefliest - steht ein Kühlschrank, in dem künftig auch Eier und Milchprodukte aus eigener Produktion angeboten werden sollen. Seitlich auf einer Ablage stehen wahlweise Glas- oder Plastikflaschen, die käuflich erworben werden können. Die Trinkbecher, mit denen Radfahrer den kleinen Durst stillen sollen, werden bald geliefert. Bei Bedarf kann sich hier jeder frische Kuhmilch zapfen: zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Auf vier Grad gekühlt, enthält sie im Schnitt vier Prozent Fett. Die Milch schmeckt natürlicher und vollmundiger als die pasteurisierte Variante aus dem Supermarkt. Und das Spezielle: Ihre Erzeuger fressen keine 50 Meter entfernt muhend ihren gehäckselten Mais.

Städter als Zielgruppe

Landwirt Johannes Groß aus Priel bei Bergkirchen geht seit Anfang Juli den selben Weg. "Es ist doch viel schöner, die Milch direkt vom Hof an den Kunden zu verkaufen, anstatt sie für ein paar Cent pro Liter an die Molkereien abzugeben", sagt er. Seine Zapfanlage stammt vom selben deutschlandweit operierenden Hersteller wie die der Kienings. Plakate und Flyer, das Merchandising, liefert der Anbieter auf Wunsch gleich mit. Vor der Milchtankstation in der Hofeinfahrt hat Groß eine Sitzbank zum Rasten aufgestellt. "Unser Hof ist total offen für die Kunden", sagt Groß. Insbesondere für Gäste aus der Stadt sei dies eine spannende Geschichte. "Viele Kinder kennen Kühe ja bloß aus dem Bilderbuch."

Neben den Familien Kiening und Groß betreiben auch die Malls (Karpfhofen) und Gasteigers (Günding) Milchtankstellen im Landkreis.

Aber sind diese tatsächlich der Weg aus der Krise? Anton Kreitmair, der Kreisobmann der Dachauer Bauern, meint: Nein. Zwar seien die Tankstellen eine "tolle Idee" und ein Zubrot für die Bauern. Eine politische Lösung aber brächten sie nicht. Schließlich, das wisse der CSU-Landtagsabgeordnete von seinem eigenen Hofladen in Kleinberghofen, nehme der Großteil der Verbraucher das Angebot nicht wahr, weil der Gang zum Discounter nicht nur billiger, sondern auch einfacher und bequemer sei. "Die Wertschätzung für Lebensmittel ist weltweit in kaum einem Land so gering wie in Deutschland."

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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