Markt Indersdorf:Franz Marcs Lehrjahre

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Von 1904 bis 1907 arbeitete der expessionistische Maler im Landkreis. Sämtliche damals entstandenen Werke zerstörte der Künstler.

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Ein großer deutscher Maler, über den es lange Zeit kein Standardwerk gab? Kaum zu glauben: Bis vor einem Jahr existierte keine Biografie über Franz Marc, der zu den führenden Vertretern des deutschen Expressionismus gehört. Die Kunsthistorikerin Brigitte Roßbeck hat diese Lücke im kollektiven Gedächtnis der deutschen Kunstgeschichte gefüllt. Die wichtigsten Erkenntnisse ihrer Franz-Marc-Biografie stellte sie jetzt in einem Vortrag im Augustiner Chorherren Museum vor. Der Ort war nicht zufällig gewählt: Der nach seiner künstlerischen Identität stets suchende Maler arbeitete mehrere Male in Markt Indersdorf. Hier entstanden einige naturalistische Bilder nach dem Vorbild der Dachauer und Münchner Schule. Es waren Selbstfindungs- und Lehrjahre für Franz Marc - zu seinem expressionistischen Stil fand er erst bei der Künstlergruppe "Der Blaue Reiter".

Brigitte Roßbeck, die in Iffeldorf bei Kochel und damit im Land des "Blauen Reiters" wohnt, fand die wichtigsten Quellen in Autografien von Maria Marc, die das Leben mit ihrem Mann illustrieren. Die Historikerin brachte viele neue - auch pikante - Details ans Tageslicht. Roßbeck schilderte den am 8. Februar 1880 in München geborenen Marc als einen "allzeit Suchenden" . Er lebte im Spannungsfeld zwischen der erstarrten wilhelminischen Gesellschaft und der Zielvorstellung moderner Mensch. Sein Vater war ein akademischer Maler, der ihm wenig Talent attestierte. Beeinflusst wurde er eher von seiner calvinistischen Mutter, für die das menschliche Schicksal unabwendbar und vorherbestimmt war. Als Gymnasiast war er ein Anhänger der Lehren Nietzsches - "Also sprach Zarathustra" gehörte zur Pflichtlektüre junger Intellektueller. Der "Übermensch" des Philosophen demonstrierte Stärke und Macht. Der "gute Krieg" war Mittel zum Zweck. Das galt zunächst auch für Franz Marc. Er sah den Krieg als Fundament für eine neue Welt, in der auch Platz für eine neue Kunst ist. Seine Einstellung änderte sich später an der französischen Front im Ersten Weltkrieg. Angesichts des schrecklichen Leids wurde er zu einem entschiedenen Gegner des Krieges, dem er schließlich zum Opfer fiel.

Das Bild "Hocken im Schnee" wäre ohne die Experimente auch während der Indersdorfer Zeit wohl nicht möglich geworden.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Von 1904 bis 1907 besuchte Franz Marc die Marktgemeinde. Die Hohenester Mühle in Glonn war sein Lieblingsmotiv,...

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

...wie Biografin Brigitte Roßbeck im Indersdorfer Chorherrenmuseum erläuterte.

Nach dem Abitur ging Franz Marc als Offiziersanwärter ein Jahr zum Militär. Das einzige, was ihm dabei Spaß machte, war der Umgang mit den Pferden. Sie spielten in seinem späten künstlerischen Werk eine zentrale Rolle. Seine frühen Bilder, die kürzlich in Kochel zu sehen waren, orientierten sich an der Münchner Schule und hatten einen altmeisterlichen Stil. Viele entstanden am Staffelsee. 1899 nahm er sein Kunststudium auf, wenig später führte ihn sein Künstlerfreund Otto Piltz zum Malen in das Dachauer Moos. Piltz machte ihn auf den schönen Marktflecken Indersdorf aufmerksam.

1904 malte Marc in dem Dorf Glonn das beliebte Ausflugslokal Hohenester mit der Wassermühle. Im Laufe des Sommers 1907 begann er mit den Gemälden "Rabenbild", "toter Turmfalke, auf einem roten Bauerntücherl liegend", "besonnter Busch" und zwei "hellen Studien gegen die blaue Luft". Die Werke trugen keine eigene Handschrift - Marc war mit ihnen unzufrieden und zerstörte sie. Während seiner Aufenthalte in Indersdorf logierte der Künstler in der Klostergaststätte. Mit ein paar in Indersdorf entstandenen Skizzen war Marc zufrieden.

Franz Marc malte auch in Markt Indersdorf. In diese Zeit erlebte er so manchen Irrungen und Wirrungen in Liebesdingen, wie Biografin Roßbeck auch in ihrem neuen Buch erzählt. (Foto: dpa-tmn)

In diese Zeit fielen auch seine Irrungen und Wirrungen in Liebesdingen. 1907 heiratete Franz Marc Marie Schnür; gleichzeitig hatte er ein Verhältnis mit Annette Simon, mit der er eine gemeinsame Tochter hatte, und Maria Franck. Das "Quartett d`Amour" begegnete sich 1906 häufig in Kochel. Im Berliner Zoo machte Franz Marc 1907 Tage lang Skizzen von Tieren, die für ihn die Motive der Zukunft waren. Die Hauptarbeit des Sommers 1908 war ein riesiges Pferdebild, das er im Freien auf einem Weideplatz bei Lenggries malte. Mit der Farbpalette im Arm ging er den Pferden nach, wichtige Einzelheiten "auswendig lernend", um den Ausdruck der Tiere einzufangen. Marc zerstückelte das lebensgroße Gemälde.

Die Wende auf seinem Weg zum eigenen Stil war die erste Ausstellung der Neuen Künstlervereinigung München im Dezember 1909. Das Bild "Katze auf rotem Tuch" war das Schwellenbild hin zum Expressionismus. Anfang 1910 lernte Franz Marc August Macke kennen, im Januar 1911 begegnete er zum ersten Mal Wassily Kandinsky und Gabriele Münter. "Wir moderne Maler sind kräftig am Werk, für das kommende Zeitalter, das alle Begriffe und Gesetze neu aus sich gebären wird, auch eine neugeborene Kunst zu schaffen", schrieb Franz Marc an Maria Franck. Marc wurde Mitglied der Künstlervereinigung, deren Ausstellungen in der Öffentlichkeit auf Proteste stießen und von der Presse verteufelt wurden. 1911 malte er das blaue Pferd. Er kam mit den Kubisten um Wassily Kandinsky in Verbindung. Dessen Idee war auch die Gründung des "Blauen Reiters". Die Gruppe fiel 1914 auseinander.

Im April 1914 malte Franz Marc seine letzten großen Werke. "Meine besten Bilder werde ich mit 40 oder 50 malen", sagte er. Doch der Krieg machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Am 4. März 1916 wurde er von einem Granatsplitter tödlich in den Kopf getroffen. Auch sein Freund August Macke kehrte nicht mehr von der Front zurück.

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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