Markt Indersdorf:Eine Frage von Nuancen

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Luna Grießhaber gewinnt den Vorlesewettbewerb der Schulen im Landkreis. Alle zwölf Teilnehmer beeindrucken die Jury

Von Franziska Hofmann, Markt Indersdorf

Wer gut vorlesen will, muss den Menschen oder sogar den Tieren Leben einhauchen. Dazu muss er die Stimme modulieren können. Außerdem sollte es gelingen, den Spannungsbogen zu entwickeln. Dazu muss der Vorleser in die Rolle des Erzählers schlüpfen. Um das Ergebnis des Vorlesewettbewerbs des Börsenhandels des deutschen Buchhandels für die Schulen im Landkreis Dachau vorwegzunehmen: Alle Bewerber lasen hervorragend. Entscheidend waren deshalb die Nuancen. Luna Grießhaber hat den Regionalentscheid am Montag gewonnen. Die Schülerin des Ignaz-Taschner-Gymnasiums in Dachau trat gegen elf Sechstklässler des Landkreises gewonnen. Damit ist Luna eine von 600 bundesweiten Kreissiegern.

In einem großen Raum der Mittelschule Markt Indersdorf sitzt die vierköpfige Jury vor einem leeren Tisch. Dahinter im Halbkreis die zwölf Schulsieger des Landkreises, Eltern und Geschwister. Der erste Vorleser, Dimitris, setzt sich an den leeren Tisch und stellt sein Buch vor. Es geht um Paul und sein Haustier, den Mississippi-Alligator Orinoko, "komischer Name, aber der heißt so." In seiner Buchstelle erfährt man, wie Orinoko aus Versehen in die Kanalisation gespült wird, und wie Paul die Geräusche in der Wand verfolgt, um seinen Alligator nicht zu verlieren. Als das Geräusch in der Wand verstummt, ist Dimitris am Ende seiner Buchstelle angekommen. Er blickt erleichtert auf und bekommt Applaus. Schnell huscht er zurück auf seinen Platz und ihm folgt ein Vorleser nach dem anderen.

Dimitris Andrielis war als erster Vorleser an der Reihe. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Mit den Geschichten saugen die Schüler ihre Zuhörer in eine andere Welt: Einmal reisen sie mit Nixen auf Delfinen, ein anderes Mal fliehen sie vor einem Eisbär aus einer magischen Zoohandlung. Dann bangt man mit einem Mädchen, das in ein Internat muss, oder besucht dank einem Schrumpfzauber Mäuse in einem Schloss.

Um mit seinen Gedanken wieder in der Gemeindebücherei in Markt Indersdorf anzukommen, gibt es jeweils nach etwa fünf Vorlesern eine kurze Pause. Nachdem der letzte Vorleser sein Buch weggelegt hat, bittet die Jury alle aus dem Raum. Während ihrer Entscheidung können Eltern und Kinder in der Bücherei stöbern und sich mit Keksen und Getränken stärken. Auch drei Kisten mit alten Büchern liegen aus, womit sich die Kinder für zu Hause eindecken dürfen. Viel Zeit bleibt aber nicht, da die Jury schon zum Finale ruft.

Zuerst bekommen alle Teilnehmer eine Urkunde und ein Buch geschenkt. Nach einem Gruppenfoto sagt Jurymitglied Gabriele Koch von der Gemeindebücherei Indersdorf: "Die fünf besten Vorleser und Vorleserinnen sind Lukas, Luna, Andrea, Selina und Oscar." Sie müssen jetzt einen Fremdtext vorlesen. Und obwohl Koch es denjenigen, die nicht weiter machen dürfen, anbietet zu gehen, bleiben sie.

Alle fünf Vorrundensieger bekommen den gleichen Fremdtext, die anderen müssen derweil draußen warten. Luna schnellt sofort zurück in die Bibliothek. Kein Wunder, denn sie liest "am Wochenende drei bis vier Bücher am Tag", sagt sie. Ein kleines Buch könnte sie in der Wartezeit schaffen. Die anderen Finalisten folgen ihr, nur Oscar darf bleiben. Der Fremdtext ist eine Stelle aus der Schneekönigin. Ein Kind nach dem anderen wird aus der Bücherei in den Leseraum geholt und liest vor. Selina betont schön: Jeder Charakter bekommt seine eigene Stimme. Andrea sagt danach: "Es waren schwierige Wörter dabei." Nach den Finalisten bittet die Jury nochmals in die Bücherei, um den Sieger festzulegen.

Lukas Blaumoser hat es unter die besten fünf geschafft. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Glücklicherweise dauert auch diese Entscheidung nicht lange. Koch holt die Eltern und Kinder wieder zurück in den Entscheidungsraum und macht die Sache ganz kurz: "Es waren fünf wirklich gute Leser und mit jedem Mal gefiel mir die Geschichte besser. Aber wir von der Jury waren uns alle einig: Luna, du warst die Beste." Luna bleibt die Spucke weg. Nur ein kleines "Oh Gott" kommt ihr über die Lippen. Dann springt sie freudestrahlend nach vorne und holt sich ihre Glückwünsche ab.

Sie darf jetzt zum Bezirksentscheid nach Ingolstadt reisen. "Dort hat sie eine reelle Chance", vermutet Jurymitglied Helmuth Rumrich, ehemals Mittelschullehrer: "Der Text ist relativ schwer. Dass sie ihn so gut rüberbringt, ist erstaunlich." Gabriele Koch ist glücklich, dass es "keine wirkliche Entscheidung zwischen zweien" gab, bei der man im Nachhinein denkt, "dass man jemandem Unrecht getan hat", sondern, dass es eine "klare Sache" war. Für den Bezirksentscheid wählt Luna vermutlich zwischen der Dolly-Reihe oder dem Buch "Alea Aquarius".

© SZ vom 17.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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