Markt Indersdorf:Ein Vermögen für einen Schlüpfer

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Geschichtswerkstatt in Indersdorf zeigt Alltag in Nachkriegszeit

Die Ausstellung der Geschichtswerkstatt über die Nachkriegszeit im Landkreis Dachau war in vielen Gemeinden des Landkreises zu sehen und ist nun in der vorläufig letzten Gemeinde angekommen: im Museum in Markt Indersdorf. Von Montag, 12. Oktober, an werden die Höhepunkte der einzelnen Ausstellungen gemeinsam im Landratsamt präsentiert, zusammen mit der Ausstellung "Das Lager und der Landkreis".

Markt Indersdorf bietet eine gute Gelegenheit, die Ausstellung in einer der Gemeinden im Landkreis zu besuchen. Hans Kornprobst hat über das Kriegsende und die Nachkriegszeit in Markt Indersdorf recherchiert, über den Einmarsch der Amerikaner, die Entnazifizierung, die Währungsreform und vieles mehr. Dazu werden Dokumente gezeigt, wie Sparbücher und Schulbücher aus dieser Zeit. Sehr aufschlussreich ist auch die Schadensliste, die eine Familie nach einem Bombenabwurf erstellt hat. Sie zeigt sehr detailliert, welche Dinge es damals in einem Haushalt gab und wie hoch ihr Wert eingeschätzt wurde. Sechs Damen-Nachtjacken werden genannt und mit 27 Mark beziffert. Damenschlüpfer aus Wolle scheinen richtig wertvoll gewesen zu sein, denn als Preis für die acht Exemplare werden 64 Mark angegeben, wogegen die zwei Damenhüte mit nur 25 Mark geradezu preiswert erscheinen. Sogar ein Jaucheschöpfer von 2,50 Mark wird auf die Schadensliste gestellt. Interessant ist auch ein Gegenstand, der als "Abhorchvorrichtung für Wasserleitungsschäden" bezeichnet wird.

Welche Belastung es für einen Bürgermeister damals war, eine Unterkunft für all die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen zu finden, oft gegen großen Widerstand der Bevölkerung, zeigt der ausgestellte Brief des damaligen Bürgermeisters Johann Holdenried. Er bat den Landrat um Amtsenthebung. Seinen Brief schließt er mit den Worten: "Es liegt mir ferne, mich von der Arbeit zu drücken, davon dürfen Sie, Herr Landrat, überzeugt sein, doch unter solch' erschwerten Verhältnissen weiterzuarbeiten, gehört kaltes und gesünderes Blut." Seine Bitte auf Amtsenthebung wurde jedoch abgelehnt.

Jede Gemeinde hat ihre eigenen besonderen Schwerpunkte, so auch Markt Indersdorf. Ein Aspekt, der bisher eher am Rande behandelt wurde, rückt in Markt Indersdorf in den Fokus: das Leben in einem Flüchtlingswohnlager. Zwei ehemalige Bewohner des Lagers Wagenried, Magda und Hans Steiner, haben auf Plänen, Zeichnungen und anhand von Quellenmaterial die Flucht aus ihrer Heimat und das Lager dargestellt. Wie sie das Leben dort in Erinnerung haben, kann man an der Hörstation erfahren. Ihre Perspektive ist jedoch sehr idealisiert. Sie haben die Zeit in schöner Erinnerung, wie auch die anderen ehemaligen Bewohner, die sie regelmäßig treffen. Das liegt wohl daran, dass alle damals Kinder waren und nach der langen Flucht endlich ein neues Zuhause gefunden hatten - und das Wichtigste: Freunde.

Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, 20. September, zu sehen.

© SZ vom 30.06.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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