Lob für die Caritas:Die Hoffnung liegt bei den Kirchen

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Friedensinsel in Odelzhausen zeigt Plakatausstellung von Pro Asyl über das Elend von Flüchtlingen

Von Renate Zauscher, Odelzhausen

Etwa 65 Millionen Menschen sind gegenwärtig weltweit auf der Flucht. Diese Zahl nannte Anette Kurth-Ermer, die Vorsitzende der Volkshochschule Odelzhausen, Pfaffenhofen und Sulzemoos, bei der Eröffnung einer Plakat-Ausstellung von Pro Asyl zum Thema Flucht und Asyl in der Friedensinsel Odelzhausen. Sie alle wollten aufklären über das Schicksal der Menschen, das hinter dieser gewaltigen Zahl steht, und den Blick auf den Einzelnen lenken, sagte sie bei der Vernissage. Was es bedeutet, Flüchtling zu sein, das umriss der Pfaffenhofener Gemeinderat Klaus Reindl, der als Vertreter der örtlichen Politik gekommen war, mit einem Satz: "Die Menschen, die zu uns gekommen sind, haben sehr viel mehr erlebt als wir alle hier miteinander - sie haben Entsetzliches erlebt."

(Foto: Toni Heigl)

Über die gegenwärtige Situation in der deutschen und bayerischen Flüchtlingspolitik, über Fluchtursachen und Fluchtbewegungen informierte Willi Dräxler, Referent für Migration beim Caritasverband der Erzdiözese München-Freising, der seit über dreißig Jahren in der Flüchtlingsarbeit tätig ist. Als Stadtrat und Integrationsreferent in Fürstenfeldbruck hat Dräxler unmittelbar Einblick in politische Entwicklungen. Er beklagt die immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen, mit denen sich Sozialverbände und ehrenamtliche Helfer konfrontiert sehen, und fürchtet weitere Probleme durch das, was ein Flüchtlingshelfer jüngst als "Wechsel von der Willkommenskultur zur Abschiebekultur" bezeichnet hat.

Mit der Plakat-Ausstellung von Pro Asyl wolle man zum Nachdenken anregen über die Gründe, warum Menschen sich zur Flucht entscheiden, sagt Dräxler. "Wir müssen wissen: Was ist ihnen passiert, warum gehen sie diesen Weg?" Einen Weg, der oft genug nicht ans ersehnt Ziel in Europa führe, sondern in einen elenden Tod in den Wüsten Afrikas oder im Mittelmeer. "Wir müssen diesen Menschen ein Gesicht geben, die Anonymität durchbrechen", ist Dräxler überzeugt. Es gehe darum, denen eine Stimme zu geben, die keine Stimme haben und denen zu helfen, die Hilfe bräuchten. Das habe gar nicht unbedingt mit Religion zu tun: "Das ist ganz einfach unsere menschliche Pflicht."

(Foto: Toni Heigl)

Entscheidend sei, hinter den Zahlen den einzelnen Mensch zu sehen, der mit seinen Ängsten und Hoffnungen, auch mit Traumata und Verzweiflung zu uns gekommen ist. Dass Begegnungen auf der menschlichen Ebene sehr schön und beglückend sein können, weiß Willi Dräxler aus seiner beruflichen wie auch der privaten Erfahrung als Pate eines Mädchens, das als Flüchtlingskind nach Deutschland kam. Vieles in der deutschen wie bayerischen Flüchtlingspolitik sieht Willi Dräxler sehr kritisch. Er erkennt eine neue Entwicklung. So würden aus dem Erstaufnahmezentrum Fürstenfeldbruck viele Flüchtlinge mit sogenannter "geringer Bleibeperspektive" im "Drehtürverfahren" gleich wieder ins "Transitzentrum" Manching verbracht. Dazu kämen ständig neue Gesetze und Regelungen, die für alle Beteiligten immer weniger überschaubar seien. Bei den Anhörungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werde mit Textbausteinen gearbeitet und auf den konkreten Fall oft gar nicht mehr wirklich eingegangen.

Höchst kritisch äußerte sich Dräxler auch über Arbeitsverbote. Wer arbeite, der spare Steuergelder und leiste mit Geldsendungen in die Heimat "die beste Entwicklungshilfe, die es gibt". "An Arbeit zu partizipieren, ist Menschenrecht", ist Dräxler überzeugt. Frustriert, oft verzweifelt sind nicht nur viele Flüchtlinge, die geglaubt hatten, in Deutschland endlich angekommen zu sein, sondern auch viele Helfer. "Ihr habt euch eingesetzt, man ist zusammengewachsen", weiß der Caritas-Referent. Auch um diesen Aspekt gehe es bei der Ausstellung.

(Foto: Toni Heigl)

Mehr Druck der Kirchen auf die "völlig konzeptlose Politik" wünschte sich ein Ausstellungsbesucher. Die Kirche - im konkreten Fall die katholische Kirche - "lehnt sich schon sehr aus dem Fenster", erwiderte Dräxler. Papst Franziskus habe "Eckpunkte gesetzt" und die Erzdiözese München-Freising investiere im Jahr rund zwölf bis 13 Millionen Euro in die Flüchtlingshilfe. Einig war man sich, wie wichtig die Arbeit der Caritas ist: "Sie leistet Großartiges", hieß es.

Die Ausstellung von Pro Asyl in der Friedensinsel Odelzhausen ist noch bis zum Freitag, 8. Oktober, zu sehen. Geöffnet ist sie jeweils Montag, Mittwoch und Freitag von 11 bis 17 Uhr sowie dienstags von 15 bis 18 Uhr.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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