Literaturfest:Halmers Odyssee

Lesezeit: 2 min

Der Schauspieler Günther Maria Halmer erzählt von seinem Weg auf die Bühne

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Wer sich zutraut, eine Selbstbiografie zu schreiben, muss ein gerüttelt Maß an Selbstbewusstsein haben. "Bin ich überhaupt bedeutend genug, dass ich mich an eine Autobiografie wagen darf, ist mein Leben interessant genug?" Günther Maria Halmer verneinte diese Fragen. Aber der Verleger gab nicht nach - und behielt Recht. Das Buch übertraf alle Erwartungen. Auch als "Publikum" denkt man zunächst: "Was kann am Leben eines Schauspielers schon dran sein? Begabung - Schauspielschule - Karriere!" Oh nein! Bei Günther Maria Halmer lief alles ganz anders. Deswegen ist seine Biografie so unerhört spannend.

Für Halmer selbst war das Leben vor allem in den Jugendjahren, etwa bis Mitte zwanzig, alles andere als gute Unterhaltung. Für sehr lange Zeit lief nämlich überhaupt nichts. Er wurde 1943 - das ist das Jahr von Stalingrad, dem Aufruf zum "totalen Krieg" von Goebbels in Berlin, der Hinrichtung der Mitglieder der "Weißen Rose" in München - in Rosenheim in eine kleinbürgerliche Familie hineingeboren. Der Vater war betont katholisch, so war der Lebensweg des jungen Günther in bürgerlich-traditionellen Bahnen eigentlich vorgezeichnet. Günther aber fühlte sich nur als Ministrant wohl: Für ihn war der Altar eine Bühne und das Ministrieren samt Rauchfass-Schwingen Theater vor Kirchenbesuchern als Publikum. Das Gymnasium verließ er ohne Abitur. Was jetzt? Der Vater hatte Verbindung zu einer Rosenheimer Bank. Ein Leben am Schreibtisch oder hinter dem Bankschalter? Es blieb beim missglückten Vorstellungsgespräch.

Ein Leben wie John Wayne wäre auch nicht schlecht

In seiner Biografie hat er diese Zeit, etwa um 1960 - zwischen der Verzweiflung des Vaters und den eigenen Träumen vom Film - anschaulich dargelegt. Günther Maria Halmer sollte aber nicht nur Träume haben, sondern endlich einen Beruf erlernen. Es folgten 18 Monate beim "Bund". Wie vermeintlich lustig es dort zuging, beschreibt Halmer köstlich und - wer es selbst mitgemacht hat, weiß es - sehr zutreffend. Ein Berufsberater beim Arbeitsamt fragte ihn, ob er lieber Autoreparatur, ein Schreinerwerkstück oder einen Obstsalat hätte. Günther entschied sich für den Obstsalat - und wurde auf eine Hotelfachschule geschickt. Die harte Arbeit in der Hotelküche, vor der Halmer noch heute mit größtem Respekt spricht, behagte ihm nicht, eher eine Stelle im Empfang, um dort eine reiche Amerikanerin, möglichst mit eigenem Hotel, kennenzulernen. So wie es in damals sehr bekannten Filmen üblich war. Ein Leben wie John Wayne wäre auch nicht schlecht.

Reiche Amerikanerinnen lernte man damals in Paris kennen, aber auch dort hatte Halmer kein Glück. Er schiffte sich nach Kanada ein und landete in einer Asbest-Mine im äußersten Norden. Sieben Tage härteste Arbeit pro Woche, im Winter bis zu minus vierzig Grad Kälte, aber viel Geld. 18 Monate lang hielt er aus, dann ermunterte ihn das Beispiel eines absolut unbedeutenden Arbeitskollegen - figürlich ein "Würstchen" - Schauspieler zu werden.

Ein Mensch mit viel Humor

Heimfahrt und tiefes Entsetzen bei der Familie: "Schauspieler? Das kann doch nicht dein Ernst sein!" Halmer meldete sich bei der Falckenberg-Schule in München und befand sich - zu seiner größten Überraschung - unter den 14 Bewerbern, die von 300 genommen wurden. Erst jetzt verlief das Leben so, wie man sich als Laie eine Schauspieler-Karriere vorstellt: Anfänge in bayerischen Stücken an den Kammerspielen und dem Residenztheater in München und die Begegnung mit der von ihm verehrten Schauspielerin Therese Giehse. Günther Maria Halmer beschreibt dieses Leben genau und humorvoll. Er spricht auch vom Blick auf den Kontostand und der fälligen Miete, was auch einen arrivierten Schauspieler zur Beteiligung am ihm eigentlich nicht mehr gemäßen "Traumschiff" bewegten konnte. Man begegnete in Dachau nicht nur einem berühmten Schauspieler, sondern vor allem einem liebenswerten Menschen mit viel Humor. Deswegen war der Abend der Reihe "Dachau liest" hinreißend und anrührend zugleich.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: