Lesung:Zuneigung

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Taschner-Enkel Ignaz Fischer-Kerli liest in Dachau. (Foto: Johannes Simon)

Der Briefwechsel von Thoma und Taschner

Vielleicht wäre Ludwig Thoma nicht so maßlos reaktionär und antisemitisch geworden, wenn sein Dachauer Freund Ignatius Taschner länger gelebt hätte. Denn der hatte mit diesen konservativen und rechten Strömungen im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts so gar nichts im Sinn. Auch wenn ihn Thoma im Nachhinein so deutete. An diesem Donnerstag, 3. Mai, 19 Uhr, liest der oberbayerische Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler aus dem Briefwechsel Thomas mit seinem Freund, dem Jugendstilkünstler Ignatius Taschner im Dachauer Bezirksmuseum. Besonderer Leckerbissen: Sein zweiter Sprecher ist der Taschner-Enkel Ignaz Fischer-Kerli.

Thoma und Taschner waren in einer sehr herzlichen Freundschaft einander verbunden, die nicht zuletzt in Hunderten von Briefen und Postkarten zum Ausdruck kommt. Dabei berichten sie von lustigen Faschingsfesten, gemeinsamen Plänen, lassen Thomas Haus in der Tuften entstehen oder nehmen gegenseitig Anteil an ihrem Schaffen. Daraus ergibt sich ein lebendiges Bild dieser innigen Freundschaft, die über zehn Jahre bis zum Tode Taschners 1913 währte.

Taschner wurde schon im 43. Lebensjahr durch Herzversagen aus seiner Arbeit herausgerissen. Ein halbes Jahr nach seinem Tod begann der Erste Weltkrieg, mit dessen Ende das Kaiserreich zusammenbrach und sich der allgemeine Kunstgeschmack der Vorkriegszeit wandelte. Das dürfte einer der Gründe sein, warum Taschner trotz seines umfangreichen Werks in München, Breslau und Berlin von der Kunstgeschichte lange übersehen wurde. Eine erste Monografie von Ludwig Thoma und Alexander Heilmeyer von 1921 interpretierte ihn mit stark deutschnationalem Akzent als "heimlichen Gotiker" und "deutschen Romantiker" und wurde ihm damit nicht gerecht. Erst 1992/93 wurde Taschners Leben und Werk "zwischen Jugendstil und Neoklassizismus" kompetent und umfassend gewürdigt. Autor Ignaz Fischer-Kerli baut seinen Vortrag über Leben und Werk des Großvaters auf dieser kunsthistorischen Basis auf und bindet überlieferte Familiengeschichte ein.

© SZ vom 04.05.2017 / sz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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