Lesung mit Musik:Seelenflüstern

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Norbert Göttler und Kathrin Krückl - ein Auftritt in der Sprache der Seele, der bairischen Mundart, in der Göttler seine Verse geschrieben hat. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"Herbstwindwischpara" - der Schriftsteller Norbert Göttler stellt zusammen mit Kathrin Krückl und Martin Off eine CD mit seinen vertonten Gedichten in bairischer Mundart vor

Von Anika Blatz, Dachau

"Herbstwindwischpara" - eine herbstliche Seelenlandschaft breitet sich vor dem inneren Auge aus, wenn Kathrin Krückl und Martin Off musizieren und Norbert Göttler seine Lyrik in bairischer Mundart vorträgt. Göttlers Gedichtband mit dem Titel "Herbstwindwischpara - Bairische Gedichte" - ist im Jahr 2018 erschienen. Nun aber sind die Verse des 60-jährigen Schriftstellers und oberbayerischen Bezirksheimatpflegers vertont worden. Einem kleinen Kreis präsentierte die Gruppe, bestehend aus Sängerin Kathrin Krückl, Gitarrist Martin Off und Norbert Göttler, in der "Kleinen Moosschwaige" in Dachau ihr Werk.

Bereits im vergangenen Jahr begannen Krückl und Off damit, die Verse zu vertonen. Für Göttlers poetisch-philosophische Zeilen zum Herbst komponierten sie ausdrucksstarke Musik und arrangierten die Texte so, dass Vers und Melodie ineinander verschmelzen. Am gelungenen Ergebnis dieser außergewöhnlichen Zusammenarbeit konnte man sich zunächst nur bei den Live-Auftritten des Trios erfreuen. Nun liegt die CD-Fassung vor. Krückl singt und führt durch den Abend. Sie erzählt von dem Entstehungsprozess, wie sie und Martin Off sich von Göttlers Texten inspirieren ließen.

Teils wurden die Verse eins zu eins übernommen, ein andermal mehrere Gedichte zu einem Liedtext verwoben. Krückl erklärt, wie sich die Melodien und deren jeweilige Klangfarbe aus der Stimmung der Gedichttexte ergaben, aber auch, wie viel Arbeit und Herzblut in dem Projekt steckten. All das merkt man, wenn man der gefühlvollen Stimme Krückls und dem harmonischen Gitarrenspiel Offs lauscht. Es gelingt den Interpreten die Texte mit ihrer Musik zu begleiten, nicht zu übertönen und dabei die vielen Facetten der Jahreszeit musikalisch einzufangen: Das Melancholische, Morbide, Ambivalente des Herbstes. Alles in der Sprache der Seele, dem Dialekt.

Das Publikum lauscht andächtig, wenn Stücke wie "Drachnfreiheit", "Generationenkonflikt", "Hoibscharig" oder "Aufbrecha" vorgetragen werden und würdigt die Lieder mit begeistertem Applaus. Auch zwei von Off für Akustik- und Lap-Steel-Gitarre, die horizontal auf dem Schoß gespielt wird, komponierte Solostücke werden dem Publikum vorgestellt und finden großen Anklang. Das Ganze funktioniert aber auch deshalb so gut, weil die drei Künstler es nicht bei der musikalischen Klangreise belassen.

Die Interpretation der Lieder stellt nur die Hälfte des Auftritts dar. Der andere Teil besteht aus den Lesungen Norbert Göttlers. Abwechselnd wird musiziert und gelesen. So entsteht eine angenehme Mischung aus Rezitation und Gesang. Göttlers Stimme strahlt Wärme und Behaglichkeit aus. Die bairische Sprache, die als solche schon für eine wohlige Gemütlichkeit steht, verstärkt diesen Effekt noch. Selbst wem der Dialekt nicht in die Wiege gelegt wurde, hat Spaß beim Zuhören und versteht meist intuitiv, um was es in den Texten geht. Seine Gedichte leitet Göttler mit kleinen Anekdoten ein. Beispielsweise zum Thema Mundart. Dazu stellt er fest, dass der bairische Dialekt stets Gefahr läuft, ins Liebliche, Klischeehafte abzurutschen. Gleichwohl sei es die Sprache seiner Ahnen und Ausdruck seiner Seele. Deshalb habe er sich entschieden, seine Gedichte so zu verfassen. "Ob das funktioniert, muss das Publikum beurteilen", sagt er und trägt "Windtagschpensta im Herbst" vor. Es geht um die ersten eisigen Tage nach einem langen Sommer, um die abgefallenen Blätter, das Vergängliche, eben um die Gespenster des Winters. Gleichzeitig aber auch um warmes Brot am Stubentisch, Nüsse, Wein und krachendes Holz im Ofen. Keine Frage, es funktioniert - jenseits aller Klischees. Das findet auch das Publikum. Zwischendurch erklärt Göttler immer wieder einzelne Titel oder Worte. So handelt es sich beim titelgebenden "Herbstwindwischpara" um das Gewisper, das der Herbstwind mit sich bringt.

Mit der musikalischen Umsetzung seiner Herbstwindwischpara-Stücke ist Göttler sehr zufrieden: "Kathrin Krückl und Martin Off haben den inneren roten Faden meiner Texte bei der Vertonung erkannt." Entstanden ist das Projekt eher zufällig. "Der Kontakt zu Norbert Göttler ist über eine gemeinsame Bekannte entstanden", erzählt Krückl. Diese sei bei einer Lesung Göttlers gewesen und habe daraufhin die Idee zur Vertonung der Texte gehabt. Nachdem der Kontakt zu Krückl hergestellt war, holte die 37-jährige Sängerin den Gitarristen Martin Off mit ins Boot. Auch der war sofort begeistert von dem Projekt: "Das Thema der Sprache hat uns verbunden, wir sind alle im Dialekt zuhause". Das Bairische sei das, was er von seinen Großeltern noch kenne, sagt der 53-Jährige. "Beim Lesen der Gedichte habe ich eine Gänsehaut bekommen. Da ist etwas passiert. Für uns war das sehr berührend", erzählt Off. Krückl nickt zustimmend. "Was uns auch gereizt hat, war, dass wir unglaublich ausdrucksstarke Texte zur Verfügung hatten. Daraus Lieder zu machen war einerseits ein Geschenk, andererseits aber auch eine Herausforderung, weil wir Norbert mit unserer Umsetzung natürlich gerecht werden wollten", ergänzt sie.

Wie sich die Zusammenarbeit letztendlich entwickelt hat, war dann aber für alle drei eine Überraschung: "Wir treten mit dem Programm ja schon seit letztem Jahr auf, hätten aber nie gedacht, dass wir eines Tages sogar eine CD herausbringen werden. Wir wurden vom Interesse der Leute regelrecht überrannt", erzählt Krückl stolz.

Wer das Trio live sehen möchte, hat dazu in diesem Jahr noch zwei Gelegenheiten: Am Samstag, 12. Oktober, treten Norbert Göttler, Kathrin Krückl und Martin Off in der Kulturkreiskneipe in Haimhausen auf, am 9. November in der Alten Schule Lauterbach. Die CD kann sowohl bei den Live-Auftritten als auch über mo@leporello-company.de erworben werden, der Gedichtband von Norbert Göttler ist im Buchhandel erhältlich.

© SZ vom 10.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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