Lesung mit Kinderbuchautor:Vom Herd, der ins Kino gehen wollte

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Fast wie ein Hörspiel gestalten Pianist Konrad Haas, Kinderbuchautor Paul Maar und Gitarrist Wolfgang Stute die Lesung in der Bücherei. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Paul Maar schließt das Literaturfestival "Dachau liest" mit seinen absurd-phantastischen Geschichten ab

Von Clara Nack, Dachau

Die Uhr auf halb sieben stellen, damit in der Küche das Licht angeht, darauf zwei kühle Bier aus dem Fahrstuhl holen und der Musik aus dem Staubsauger lauschen, bis der Mülleimer zwölf schlägt. Nicht weniger gemütlich sieht ein gewöhnlicher Abend in einer von Paul Maars Kindergeschichten aus, die er am Montagnachmittag den jungen Lauschern in der Stadtbücherei Dachau vorgetragen und auch vorspielt hat. Maars Musikerfreunde Wolfgang Stute an der Gitarre und Konrad Haas, der sich auf alle anderen Instrumente "beschränkte", sorgten dafür, dass sich die Zuhörer schon von Beginn an in ein Hörspiel versetzt fühlten.

Zum Abschluss des jährlichen Literaturfestivals "Dachau liest", trug Maar den etwa 50 Kindern aus seiner neuen Geschichtensammlung "Schiefe Märchen und schräge Geschichten" vor. Ein gestiefelter Kater, der doch eher Skater ist und noch nach den richtigen Stiefeln Ausschau hält, die seiner angebeteten Katzendame imponieren, trickst sich zu Anfang durch Maars Zeilen. Ein kurzes Schauergedicht klärte die Kinder auf, den wirklichen Grusel, den Hänsel und Gretel im tiefen dunklen Wald erlebten, machte der fehlende Handyempfang aus. Mit solchen Kleinigkeiten schlägt sich auch Prinzessin Elli herum, die alle Feen im Landkreis durchklingelt, um herauszufinden, wer ihren Föhn in das Telefon verwandelt hat, in das sie gerade spricht. Während die Kinder zu Anfang andächtig lauschen, geht immer danach ein erkennendes Raunen durch die Reihen, wenn Maar ein altes Märchen in die Gegenwart verpflanzt und das Übernatürliche ganz selbstverständlich aus dem Friseursalon spazieren lässt. Alltägliche Objekte werden personifiziert ("Bevor der Föhn wusste, wie ihm geschah . . . ") und jeder von Maars Helden gibt während der phantastisch-absurden Wendungen immer wieder unumwunden zu: "Um ehrlich zu sein, war es so!"

Spätestens 1973 feierte Maar seinen Durchbruch mit dem ersten Kinderbuch der Sams-Reihe "Eine Woche voller Samstage". Mit dem Schreiben soll er angefangen haben, weil ihm die Auswahl an Kinderbüchern, die er seinen Kindern vorspielen konnte, damals nicht gefiel. Zuerst floss die rege Fantasie des inzwischen 81-Jährigen in Theaterstücke, die er bis heute schreibt, doch auch bei den Besuchen des Sams blieb es nicht. Für Bücher wie "Herr Bello und das blaue Wunder" schrieb er Fortsetzungen, und das Theaterstück "Lippels Traum" wurde für deutsche Kinos aufwendig verfilmt.

Für die Kinder in der Dachauer Stadtbücherei transportiert Maar die Selbstverständlichkeit des Übernatürlichen sogar in die Geschichten in der Geschichte. Denn was der Hofkoch dem König erzählt, endet mit der szenischen Lesung eines ausrangierten Herdes, der ins Kino möchte und dafür mit einem Selfie mit dem Kartenverkäufer bezahlt. Nach einer Weile sitzen nicht nur die Kinder fest im Sattel der bekannten Zwischentöne, welche die Musiker Stute und Haas spielen, sie summen und schaukeln mit. Auch den Eltern, Lehrern und Kindergärtnern entweicht immer wieder ein bewunderndes Lachen, auf welche Ideen Maar kommt. Maar hingegen bedankt sich inzwischen mit roter Zipfelmütze ausgestattet, für das aufmerksame Zuhören der Kinder. Auch die Bücher seiner Fans, die ihr halbes Bücherregal mitgebracht haben, signiert er anschließend immer mit einer individuellen Zeichnung ihrer Helden.

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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