Lesung in Altomünster:Wurzelloser Monarchist

Lesezeit: 2 min

Ein Denkmal in der Ludwig-Thoma-Straße erinnert an den Schriftsteller, der einige Jahre in Dachau als Rechtsanwalt tätig war. Seine Beliebtheit hielt sich allerdings in engen Grenzen. (Foto: Toni Heigl)

Erklärungsversuche über Thoma im Museumsforum Altomünster

Von Horst Kramer, Altomünster

Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war keine gute für Ludwig Thoma. Und die Zeit danach erst recht nicht. Diesen bedrückenden Eindruck hinterließ eine Lesung von Werken des Schriftstellers, die der Historiker Professor Wilhelm Liebhart im Altomünsterer Museum zu Thomas 150. Geburtstag inszenierte. Seine Dramaturgie war so einfach wie effektvoll: Der Historiker berichtete Bekanntes und Neues aus dem Leben des bayerischen Dichters. Karin Alzinger, die zweite Vorsitzende des Museumsvereins, und der pensionierte Schulrektor Herrmann Wackerl präsentierten dazu Thoma-Texte. Der Altomünsterer Landwirt Georg Huber verlieh Thomas Paradefigur Jozef Filser ein sympathisches Gesicht.

Liebharts skizzierte Thoma als einen "wurzellosen" Menschen, ohne enge Freunde - mit Ausnahme des Dachauer Bildhauers Ignaz Taschner -, antiklerikal, antisemitisch vermutlich sein ganzes Leben. Thomas beißende Kritik am wilhelminischen Reich und an der bayerischen Ständegesellschaft sei nicht die eines Demokraten gewesen, eines linken gar. Liebharts These lautet: "Thoma war und blieb ein Monarchist." Ein schwärmerischer, der einen Narren an Ludwig II. gefressen hatte: "Sein reiches gewelltes Haar und ein paar merkwürdige, schöne Augen fielen so auf, dass sie dem kleinen Buben in Erinnerung blieben", zitierte Wackerl eine Märchenkönig-Beschreibung aus Thomas Autobiografie. Alzinger las die berühmte "Kindlein"-Episode aus den "Lausbubengeschichten" vor: Des Buben Hass auf seinen bigotten Religionslehrer wirkte dank Liebharts Schlaglichter nicht nur amüsant, sondern bezeichnend. Um Thomas Verhältnis zum Dachauer Land zu illustrieren, rezitierte Wackerl den frühen Text "Agricola" (1897), ein ironisch-ethnografisches Porträt: sehr witzig, nicht gerade schmeichelhaft. Womöglich, weil Thoma den Text für die Augsburger Abendzeitung verfasst hatte - die Schwaben hatten (zumindest) damals keine allzu hohe Meinung von ihren bayerischen Nachbarn.

Wie man für ein unterschiedliches Publikum schreibt, demonstrierte Thoma in den Filser-Briefen. Bauer Huber las erst einen Bericht an einen Freund, in der er von den Weißwürsten im Donisl und den "Milchteilen" der Cabaret-Tänzerinnen schwärmte, dann ein Schreiben an den heimischen Pfarrer, das nur so von Frömmelei troff. Liebharts harsches Urteil: "Filser war bauernschlau, hatte keine Ahnung und kein Interesse an Politik. Er wollte sich nur eine gute Zeit machen." Zuruf aus dem Publikum: "So wie heute."

Thoma nutzte oft Pseudonyme für seine Veröffentlichungen (immerhin saß er 1906 wegen eines Spottgedichts sechs Wochen in Stadelheim). So auch bei antidemokratischen und antisemitischen Hetzschriften, die er 1920 und 1921 im Miesbacher Anzeiger publizierte. Liebhart zitierte Thomas berüchtigten "Funkspruch an alle" vom 16. März 1921: Dort ist von "Sau- und Regierungsjuden (. . .) an der dreckigen Spree" die Rede, von "beschnittene(n) Eunuchen der Entente" und von "galizische(n) Preßjuden". Das waren Töne, mit denen auch Adolf Hitler durch die Münchner Bierkeller zog. Sie gingen damals als vaterländisch durch und auch in Altomünster kommentierte ein Zuhörer: "Eigentlich war das ja eine bayerisch-patriotische Schrift." Da tat der Trost gut, den der Zither-Virtuose Robert Gasteiger mit melancholischen Miniaturen spendete. Ludwig Thoma lebte in einer harten Zeit, ein Menschenfreund mag er nicht gewesen sein - seine Exegeten sind es zweifelsohne.

Die Amperland-Ausgabe 1/2017 beschäftigt sich in vier Beiträgen mit Ludwig Thoma. Der Fürstenfeldbrucker Kulturreferent Klaus Wollenberg beschreibt Thomas Beziehungen zu den Heimatfronttheatern während des Ersten Weltkriegs. Die Thoma-Biografin Gertraud M. Rösch vertritt die These, dass der Jurist seinen Doktor-Titel doch zu Recht trug. Robert Gasteiger hat Postkarten aufgespürt, die der Schriftsteller während seiner Nordafrika-Reise im Jahre 1904 verfasste. Der zweite Teil des Heftes beschäftigt sich mit Freising in der NS-Zeit. Ein Beitrag von Jutta Mannes vom Zweckverband Dachauer Galerien und Museen zum Thema: "25 Jahre Landpartie" beendet die Ausgabe.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: