Lesung in Altomünster:Mord mit Auszeichnung

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Michael Böhm gibt Einblicke in das Innenleben eines Krimiautors, den sein eigener Erfolg verblüfft

Michael Böhm entspricht, rein äußerlich betrachtet, so gar nicht dem Bild, das man sich für gewöhnlich von einem erfolgreichen Krimiautor macht: Akkurat gescheiteltes Haar, brave Strickweste, so steht der 71-Jährige am Freitagabend hinter dem Vortragspult im Museumsforum Altomünster. Angekündigt haben Volkshochschule und Museums- und Heimatverein eine Lesung aus seiner Petermann-Trilogie. Die gab es auch, aber vor allem einen tiefen Einblick in Böhms schreiberisches Innenleben, einen flammenden Appell für das Kulturgut Buch und eine fein aufs Thema abgestimmte musikalische Begleitung von Robert Gasteiger mit Gesang und Zither - ein kriminalistisches Komplettpaket der eigenen Art also.

"Morgens beim Rasieren sieht Dr. Petermann in das liebenswürdig lächelnde Gesicht eines Mörders." So beginnt die inzwischen drei Bände umfassende Geschichte eines Mannes, "mit einer Neigung zu finalen Lösungen", wie Uli Schneider, Organisator des Abends, bei der Begrüßung sagt. Auslöser für dieses rabiate Vorgehen sind Störenfriede jeglicher Art, die den unbedingten Wunsch nach Ruhe des Dr. Leo Petermann nicht respektieren. Petermann ist ein gut situierter Privatier, der es sich nebst Dauerfreundin in einem komfortablen Landhaus an einem oberbayerischen See gemütlich gemacht hat. Eigentlich kein Unsympath, aber einer, der seine Morde so gezielt plant und durchführt, wie er seine Firma, den Software-Riesen mit dem beziehungsreichen Namen Pythagoras, einst aufgebaut hat.

Böhm liest je ein Kapitel aus den Romanen der Petermann-Trilogie ohne merkliche Emotionen, vergleichbar einem Nachrichtensprecher. Das passt gut zur nüchternen Diktion seiner Romane. Böhm schreibt bildhaft, doch ohne Geschwalle - und schafft damit eindringliche, unheimliche Schwarzweiß-Bilder. Das erhöht die Spannung ungemein, macht Lust auf mehr vom mordenden Herrn Petermann, der nie gefasst wird, für den "das Wort Schuld nicht zu seinem Wortschatz gehört", wie Böhm sagt. Doch dem Autor ist es wichtiger, seinen schriftstellerischen Werdegang minutiös zu schildern und - aller äußerlichen Gelassenheit zum Trotz - mit immer noch spürbarer Verwunderung von der hohen Auszeichnung zu berichten, mit der er 2016 geehrt wurde: dem Friedrich-Glauser-Preis. Dieser wird vom Syndikat verliehen, einer Vereinigung von etwa 750 Kriminalschriftstellern. Der Friedrich-Glauser-Preis ist neben dem Deutschen Krimi-Preis die renommierteste Würdigung, die ein Schriftsteller dieses Genres im deutschsprachigen Raum erfahren kann. Unter der Liste der Preisträger finden sich so illustre Namen wie Ingrid Noll, Robert Hültner oder Bernhard Aichner. Was alleine schon zeigt, welchen Ansprüche Michael Böhms Werk genügen musste. So hätte man auch hier gerne etwas mehr über die Begründung der Jury gehört, doch das widerspricht wohl Böhms im Grunde zurückhaltendem Naturell.

Richtig temperamentvoll wird der Autor dagegen mit einem flammenden Appell für die Rettung des Buches. "Stirbt das Buch, stirbt auch die Kultur", sagt er. "Für den Leser ist ein Buch ein Hort der geistigen Freiheit, für eine Diktatur ist es eine ständige Gefahr", sagt Böhm und erinnert an den "Friedhof der vergessenen Bücher". Das ist eine mittlerweile vierteilige Buchreihe des spanischen Schriftstellers Carlos Ruiz Zafón und Pflichtlektüre für alle Bibliomanen, so wie das reale Vorbild dieser fantastischen Buchhandlung mittlerweile deren Lieblingsziel in Barcelona ist.

Gut vorstellbar, dass inmitten des Bücherlabyrinths der Librería Canuda eines schönen Tages Robert Gasteiger hinter seiner Zither sitzt und das berühmte Titelthema aus "Der dritte Mann" spielt. Am Freitagabend jedenfalls erklingt diese Musik so beschwörend intensiv, dass man Harry Lime alias Orson Welles förmlich durch die Wiener Kanalisation schleichen sieht. Was - neben dem eher amüsanten "So a Gauner hat Leben", in dem letztendlich die Gerechtigkeit siegt - zu der Erkenntnis führt: Sollte Böhms Krimi je verfilmt werden, dann nur mit Gasteiger als Titelmusiker.

© SZ vom 21.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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