Lehrer können die Defizite nicht kompensieren:Stadt zahlt nicht für Schwimmkurse

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Mit 6500 Euro könnte Unterricht für Grundschüler finanziert werden. Doch die Politiker sehen die Eltern in der Pflicht

Von Petra Schafflik, Dachau

Nur kurz sollte der Drittklässler in der ersten Schwimmstunde sein Können präsentieren, damit er in der richtigen Leistungsgruppe landet. Die Eltern hatten das Kind im Anmeldebogen als Schwimmer ausgewiesen. "Im knietiefen Wasser ist der Junge sofort untergegangen und total in Panik geraten. Wir mussten ihn retten", berichtet Petra Baume, Lehrerin an der Klosterschule. Der Bub ist kein Einzelfall: "Immer mehr Schüler sind absolute Nichtschwimmer, die sich nicht einmal kurz über Wasser halten können."

Das P-Seminar der 11. Klassen am Josef-Effner-Gymnasium organisiert ein spaßige Wettschwimmen für die zehn- bis zwölfjährigen Kinder der Schule. Das Ziel: Werben für Schwimmkurse. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine Entwicklung, mit der die Dachauer Grundschulen überfordert sind. Mit zwei Schwimmlehrkräften, die eine Klasse im Bad betreuen, lassen sich nicht gute Schwimmer trainieren, notdürftig paddelnde Kinder fördern und dazu noch 20 oder mehr Nichtschwimmer anleiten. Nun tut sich eine Lösung auf: Auf Anfrage der Stadt bieten die Stadtwerke an, innerhalb des Schwimmunterrichts zusätzliche Kurse zu organisieren. Unter Leitung des erfahrenen Schwimmmeisters zum günstigen Sondertarif. Eine Initiative, die aber noch am Geld scheitern könnte. Denn die Stadt will die 6500 Euro für diese Schwimmkurse nicht bezahlen. Eine Mehrheit der Stadträte im Familien- und Sozialausschuss sieht nicht die Stadt, sondern die Eltern in der Verantwortung.

Karin Ernstorfer, Rektorin der Klosterschule in der Altstadt, will ausloten, ob sich nicht doch Spenden oder Zuschüsse des Fördervereins der Schule auftreiben lassen. (Foto: oh)

Vor einigen Jahren ertrank ein Zweitklässler aus der Grundschule Ost

Gabriele Dörfler, Rektorin der Grundschule Dachau-Ost, bezweifelt, dass sich ein Großteil der Eltern die Gebühr von 130 Euro für einen Schwimmkurs pro Kind leisten kann. (Foto: Toni Heigl)

Die Pädagogen an den Grundschulen sind besorgt. "Die Nichtschwimmer gehen trotzdem am Nachmittag mit ihren Freunden an die Amper, radeln zum Karlsfelder See oder sind im Freibad, wir sehen sie ja dort", berichtet Lehrerin Baume im Familien- und Sozialausschuss. Derzeit gibt es an den vier Dachauer Grundschulen 153 Nichtschwimmer, wie eine Erhebung der Stadt zeigt. Die Schule müsse das Wohl der Mädchen und Buben im Auge behalten, sagt Baume. Auch dann, wenn Eltern andere Prioritäten setzen. "Damit die Kinder im Wasser nicht sofort untergehen." Und Sommerausflüge nicht tödlich enden. So wie leider immer wieder auch im Landkreis. Die Schulfamilie in Dachau-Ost musste das vor einigen Jahren erleben. "Ein Bub aus unserer zweiten Klasse ist ertrunken, das war einfach schrecklich", erinnert sich Rektorin Gabriele Dörfler.

Keiner der Stadträte im Familien- und Sozialausschuss streitet ab, dass es notwendig ist, Kinder frühzeitig Schwimmen zu lehren. Doch über die Zuständigkeiten gibt es unterschiedliche Auffassungen. "Wir wollen die Eltern nicht von einer weiteren Aufgabe entbinden", erklärt Jürgen Seidl (FDP). Auch Schulreferentin Katja Graßl (CSU) will Familien nicht "aus jeglicher Pflicht nehmen." Wenn Vater und Mutter schon nicht selbst ihren Kindern das Schwimmen beibringen oder privat einen Schwimmkurs buchen, sollen sie wenigstens den schulinternen Kurs bezahlen.

"Die Eltern sollten sich das selber leisten können", sagt die Schulreferentin

Zumal reguläre Kurse, wie sie auch die Stadtwerke im Hallenbad anbieten, 130 Euro kosten. Der spezielle Schultarif, der 42,50 Euro je Schüler und Kurs beträgt, sei dagegen günstig, findet Graßl. "Das sollten sich Eltern leisten können", befindet auch Horst Ullmann (Bürger für Dachau). Eigentlich sei für den Schwimmunterricht primär das Kultusministerium zuständig, erklärt Anke Drexler (SPD). Aber 6500 Euro im Jahr, damit alle Nichtschwimmer der vier Dachauer Grundschulen einen zehnstündigen Schwimmkurs absolvieren können, "das ist für die Stadt schon machbar." Schließlich gehe es darum, "die Kinder zu schützen", sagt Sabine Geißler (Bündnis). Für eine Kostenübernahme votierten schließlich mit der SPD-Fraktion nur Grüne und Bündnis für Dachau.

Damit ist erst einmal offen, ob es von Herbst an für die Dachauer Grundschüler spezielle Anfänger-Schwimmkurse im Unterricht geben wird. Die Schulleiterinnen haben Verständnis für die negative Entscheidung im Ausschuss. Die Stadt habe schließlich viele Aufgaben. "Aber das hilft uns als Schule erst einmal nicht weiter", erklärt Karin Ernstorfer, Rektorin der Klosterschule. Das Lehrerteam hat schon viel unternommen, um in Eigenregie den Schwimmunterricht besser zu organisieren. Eltern haben extra das Rettungsschwimmer-Abzeichen und einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert, um die Lehrkräfte im Bad zu unterstützen. Den Unterricht übernehmen können sie allerdings nicht. Und einer Mehrheit scheint die Wichtigkeit des Schwimmens nicht bewusst zu sein.

Die Klosterschule sucht private Spender

Ernstdorfer will rasch ausloten, ob sich Spendenmittel oder Zuschüsse des Fördervereins der Klosterschule auftreiben lassen. Rektorin Gabriele Dörfler von der Grundschule Ost hat die Eltern bereits befragt und weiß, dass diese bereit sind, etwa 40 Euro für einen Schwimmkurs zu zahlen. "Viele haben nämlich schlicht ein Problem, ihr Kind zu einem Schwimmkurs zu bringen. Sie sind schon enorm entlastet, wenn die Schule das organisiert." Weitere Voraussetzung ist der Sondertarif, denn regulär 130 Euro "wäre für die meisten nicht tragbar." Dörfler hofft, dass die Stadtwerke ihr Angebot aufrechterhalten, wenn nicht wie geplant die Stadt, sondern die vier Grundschulen die Kurse buchen.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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