Landtagskandidaten nehmen Stellung:Viele Fragen, konkrete Antworten

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Bei einer Podiumsdiskussion möchten Vertreter der regionalen Wirtschaft von den Landtagskandidaten wissen, wie sie Probleme wie den Fachkräftemangel lösen wollen. An einer Stelle entwickelt sich eine hitzige Debatte

Von Petra Schafflik, Dachau

Fachkräftemangel, Verkehr, Wohnungsnot, Digitalisierung - diese Themen treiben Firmenchefs im Landkreis um. So jedenfalls lautet die Bilanz einer politischen Debatte, zu welcher der Regionalausschuss der Industrie- und Handelskammer (IHK) die Landtagskandidaten des Landkreises geladen hatte. Angesprochen hatte die IHK alle Bewerber, deren Parteien nach jüngsten Umfragen auch Chancen auf den Einzug ins bayerische Parlament haben. Den Fragen stellten sich die beiden Abgeordneten Martin Güll (SPD) und Bernhard Seidenath (CSU), sowie die bisher noch nicht in der Landespolitik aktiven Kandidaten Martina Purkhardt (FW), Frank Sommerfeld (FDP) und Christoph Steier (AfD). Thomas Kreß (Grüne) war aus beruflichen Gründen nicht dabei. Die Geschäftsleute forderten von den fünf Politikern konkrete Antworten. Denn ja, dem Landkreis gehe es wirtschaftlich gut, bestätigte Werner Mooseder, der als Vorstandsmitglied des IHK-Regionalausschusses die Diskussion moderierte. Aber mit Blick in die Zukunft brauche es Lösungsvorschläge, gerade auch zum Mangel an Mitarbeitern. "Uns fehlen nicht nur Fachkräfte, sondern auch einfache Arbeiter", betonte Mooseder, der Bauunternehmer ist.

Natürlich wissen auch die Kandidaten um die Brisanz des Fachkräfte-Themas gerade in dem prosperierenden Wahlkreis, für den sie antreten. Einige präsentierten bereits in der kurzen Vorstellungsrunde ihre Vorschläge. Martin Güll plädierte für intensive Werbemaßnahmen, um die Akzeptanz der beruflichen Bildung in der Bevölkerung zu stärken. Martina Purkhardt will das Hochschulstudium der dualen Berufsausbildung gleichstellen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken. Bernhard Seidenath sagte, künftig gelte es, neben der Kinderbetreuung auch die Bedürfnisse berufstätiger pflegender Angehöriger stärker in den Fokus zu nehmen.

Unternehmerin Andrea von Haniel verlangte von jedem Kandidaten eine konkreten Vorschlag, "damit junge Leute wieder stärker einen Lehrberuf ergreifen". Ein Patentrezept gebe es nicht, so Seidenath, "das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe." Purkhardt sagte, Arbeitgeber müssten stärker die Interessen der Jugend berücksichtigen. "Die junge Generation will leben und flexibel sein." Ein Teil des Fachkräftemangels sei hausgemacht, findet Frank Sommerfeld. "Das Arbeitsrecht gehört ausgemistet." Eine Idee kam aus der Runde der Unternehmer: Handwerksbetriebe müssten vielleicht ihre Lehrlinge besser bezahlen, um das Interesse zu stärken, sagte eine Teilnehmerin.

Ein Statement, das heftigen Widerspruch hervorrief, war das von AfD-Kandidat Christoph Steier. Dieser will dem Fachkräftemangel mit einer "Willkommenskultur für deutsche Kinder" begegnen. Dann bräuchten Betriebe nicht mehr Mitarbeiter aus muslimisch geprägten Ländern holen. "Es ist unerträglich, wie wir hier diskutieren", sagte Martin Güll. Mitarbeiter mit muslimischem Hintergrund seien "in erster Linie Menschen". Auch Moderator Mooseder betonte, dass sich der IHK-Regionalausschuss von jeglicher Diskriminierung distanziere, das verstehe sich von selbst. "Keiner von uns könnte seinen Betrieb ohne die Mitarbeit muslimischer Glaubensangehöriger aufrecht erhalten", sagte er unter dem Applaus der Teilnehmer.

Neben dem Fachkräftemangel beklagen die Unternehmer die Verkehrsbelastung in der Region. Güll prangerte die Mutlosigkeit der Politik an. Seine Forderung: "Größer denken und jetzt beginnen." Etwa mit einer Verlängerung der U-Bahn von Feldmoching nach Karlsfeld, einer S-Bahn-Linie entlang der Autobahn A 8 oder auch nur einem Pendlerparkplatz an einer neu zu schaffenden Bahnstation Breitenau. Purkhardt will den Lieferverkehr von der Straße auf die Schiene bekommen und den öffentlichen Nahverkehr stärken. Für den Bau der geplanten Umgehungen im Landkreis plädierte Sommerfeld, Steier will die Bahn verbessern, "die muss deutlich pünktlicher und flexibler werden".

Die Menschen im Landkreis müssen nicht nur mobil sein, sie müssen zunächst erst einmal irgendwo leben können. Wie aber lassen sich in der Region bezahlbare Wohnungen schaffen, fragte ein Unternehmer. Neben den von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigten Projekten Landeswohnungsbaugesellschaft und Baukindergeld würde konkret bei Neubauprojekten helfen, deutlich höher zu bauen, sagte Bernhard Seidenath (CSU). Doch genau das scheitere oft am Kirchturmdenken der kommunalen Gremien, so Moderator Mooseder. Die Gemeinden bräuchten Finanzmittel, um die Infrastruktur für mehr Bürger zu stemmen, forderte Purkhardt. Güll will nicht länger Einfamilienhäuser bauen und Genossenschaften stärken. "Aber der Bodenpreis läuft uns weg." Sommerfeld und Steier plädierten dafür, Bauauflagen zu überdenken. Alles Vorschläge, die Unternehmer und die Landtagskandidaten nach der Podiumsdiskussion in kleinen Gesprächsrunden weiter diskutierten.

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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