Landtagskandidat der Grünen:Der beharrliche Visionär

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"Wir brauchen weniger und anderen Verkehr", sagt Autobauer Thomas Kreß. Wenn möglich fährt er mit dem Rad zur Arbeit, von Oktober an vielleicht ins Maximilianeum. Kreß ist Direktkandidat für die Grünen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Thomas Kreß will sich im Landtag dafür stark machen, dass die Zahl der Autos reduziert wird. Zukunftsfähig wäre für den Grünen Direktkandidaten ein überdachtes Moped mit umweltfreundlichem Antrieb.

Von Viktoria Großmann

Einen Ministerpräsident Söder würde Thomas Kreß nicht unterstützen. Aber reden müsse man natürlich schon miteinander, sagt der Grüne. Der Stadtrat und Kreisrat hat sich ausgerechnet in dem Jahr als Direktkandidat für den Landkreis aufstellen lassen, in dem die Grünen zur zweitstärksten Kraft im bayerischen Landtag aufsteigen könnten. Damit sind sie für die CSU, die allen Prognosen zufolge ihre Mehrheit verliert, ein möglicher Koalitionspartner in der Regierung.

Übereinstimmungen zwischen Grünen und CSU aber gibt es eigentlich keine. Menschen wie Thomas Kreß, der seit 25 Jahren Grünen-Mitglied ist, haben sich ihr parteipolitisches Leben lang an der CSU abgearbeitet. Kreß glaubt als Lokalpolitiker noch immer an die Kraft von Argumenten. Oder besser: an die Kraft von beharrlich immer wieder vorgetragenen Argumenten. Auf diese Weise habe sich irgendwann im Dachauer Stadtrat die Meinung durchgesetzt, dass sich an der inneren Münchner Straße etwas ändern müsse. Und dadurch seien auch mehrheitlich Radwege entlang der Schleißheimer Straße beschlossen worden. Oder der Zehn-Minuten-Takt für die Stadtbusse.

Verkehr wäre auch als Abgeordneter im Landtag ein wichtiges Thema für Kreß. Auch wenn, wie er sagt, seine "Hoffnung gering" ist, es ins Maximilianeum zu schaffen. "Wir brauchen weniger und einen anderen Verkehr", sagt er. Kreß ist Maschinenbauingenieur bei BMW - die 16 Kilometer zur Arbeit in den Münchner Norden fährt er oft mit dem Fahrrad. Er mag Autos. "Das Auto hat seine Berechtigung." Er hätte nur gern, dass pro Auto mehr Menschen mitfahren, und er steht hinter der Grünen-Forderung für allgemeine Tempolimits und würde gern die Steuern auf Spritfresser erhöhen. "Die Elektrifizierung des Verkehrs ist wichtig", sagt er. Auch für Fahrradfahrer. Vor allem aber will Kreß nachhaltig die Zahl der Autos reduzieren. "Wenn kein Platz mehr für Autos da ist, dann steigen die Leute um." Ein zukunftsfähiges Fahrzeug wäre für ihn ein überdachtes Moped mit umweltfreundlichem Antrieb.

Eng mit der Verkehrspolitik ist für ihn die Wohnungsmarktpolitik verknüpft. "Wenn sich die Leute das Wohnen am Arbeitsort nicht leisten können, dann pendeln sie." Es müssten auch kleinere und damit günstigere Wohnungen gebaut werden. "Wir müssen weg von den vier Zimmern auf 200 Quadratmetern." Dazu gehört für ihn auch die in Dachau lange unpopuläre Forderung, höher und dichter zu bauen. Eine Forderung, die Kreß auch bei den Planungen zum Gewerbegebiet auf dem Seeber-Gelände anbringt. Wenn schon bauen, dann richtig. Flächenverbrauch ist etwas, das ihn als echten Grünen juckt. Ebenso wie zuviel Privatisierung. Wohnen ebenso wie andere Leistungen der Daseinsvorsorge, etwa Gesundheit, gehören für ihn nicht in private Hände. Auch das Dachauer Krankenhaus hätte er lieber im kommunalen Eigentum behalten. "Krankenhäuser dürfen keine Profitcenter sein", sagt Kreß.

Vieles von dem, was Kreß sagt, klingt nach Kontrolle und Reglement. Nach jener Vorschriftswut, die den Grünen oft vorgehalten wird. Kreß lächelt nur. "Wir wollen nicht mehr regeln, nur anderes." Die Grünen, erklärt er, seien tolerant, wo es um die Freiheit des Einzelnen gehe. Dazu gehören für ihn der Genuss von Cannabis oder nächtliche Sperrzeiten für Lokale. "Die Reglementierung muss da anfangen, wo das Wohlergehen des Einzelnen durch mein Handeln betroffen ist." Zuviel Freiheit für die Marktwirtschaft, zuviel Privatisierung - darin sieht er den Grund für eine soziale Schieflage im Land. Durch die Unterstützung der Interessen von Großunternehmen auf Kosten der Menschen. Der Patienten, der Mieter, der Hausbauer, der Autokäufer.

Diese Ungleichheit sieht Kreß auch bei der Polizei. Kreß kann lange und mit Verve über die Aufgaben und die Personalaufstockung der Polizei sprechen. Ein Thema, das man bei der CSU vermuten würde. Bei Kreß aber klingt es anders. "Wir brauchen keine bayerische Grenzpolizei. Wir brauchen keine Bayernkavallerie. Diese Leute brauchen wir am Ort in den Polizeiinspektionen." Die Polizisten sollten Zeit haben, sich um Geschwindigkeitskontrollen und Wohnungseinbrüche zu kümmern. "Polizei muss für die Interessen von Bürgern da sein. Nicht nur Propaganda und nicht zum Schutz der Interessen von Großunternehmen oder gar rechter Chaoten", sagt Kreß mit Blick auf die ungleich ausgerüsteten Polizeieinsätze am Braunkohlerevier Hambacher Forst und in Chemnitz.

SZ-Grafik (Foto: N/A)

Kreß kann klare Argumentationsketten aufbauen, aber auch Parolen ausgeben. Aus den Jahren im Stadtrat ist er es gewöhnt, allein gegen alle anderen zu sprechen oder auf Standpunkten zu beharren. Die Grünen stellen vier Mitglieder des Stadtrats. Damit vertreten sie ihre Fraktion in den Ausschüssen immer allein. Nur langsam werden die Ansichten der Grünen mehrheitsfähig. Auch was die dritte Startbahn angeht, kämpfen sie nicht allein. Das ist für Kreß ebenso wie für die Kandidaten von SPD und Freien Wählern gesetzt: "Die dritte Startbahn muss weg." Mittlerweile äußert sich sogar CSU-Landtagsmitglied Bernhard Seidenath in diese Richtung. Er wohnt in Haimhausen, wo er auch Gemeinderat ist. Dort ist die dritte Startbahn allein schon wegen der Nähe zum Flughafen äußerst unbeliebt. Auf allzu viele Gemeinsamkeiten will er sich auch mit anderen Parteien nicht festlegen lassen. Die SPD und die Freien Wähler wollen kostenfreie Kinderbetreuung. Das sieht Kreß nicht ein. "Das geht mir gegen das Gerechtigkeitsgefühl, dass die Allgemeinheit für die Kinderbetreuung der Gutverdiener zahlt." Er ist für eine Staffelung nach Einkommen. Auch im Stadtrat.

Was die Forderung angeht, gerade Zuwanderer für Pflegeberufe zu gewinnen, ist Kreß selbst mit seiner eigenen Partei nicht ganz zufrieden. Auch Kreß glaubt, dass Zuwanderer wichtig sind für den Arbeitsmarkt und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, vor allem bei Handwerksberufen. Dass Zuwanderer den Notstand beim Pflegepersonal lösen können, mag er nicht ganz glauben. Die Pflegeberufe bräuchten aus seiner Sicht vor allem eine Imagekampagne. Einen besseren Ruf, mehr Anerkennung auch finanziell und bessere Arbeitszeiten. "Warum sind Ärzte die Halbgötter in Weiß und die Pfleger gelten nichts?", fragt er. Themen, die er wohl auch zu Hause mit seiner Frau diskutiert, die in der mobilen Pflege tätig ist.

Seine vier erwachsenen Kinder hingegen stiften den 56-Jährigen zu Reisen an, auf denen er die Radfahrerkultur in den Niederlanden oder in Kanada bestaunt. Mit neuen Ideen für Fahrradstraßen kommt der gebürtige Hesse dann zurück nach Dachau, das seit etwa drei Jahrzehnten seine Heimat ist. Ob er nun in den Landtag kommt, oder nicht, wichtig bleibt für Kreß die Stadtpolitik: "Hier erkennt man am ehesten die Folgen einer Entscheidung."

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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