Landratsamt lädt ein:Willkommen auf dem Chefsessel

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Auf jedem Stuhl ein Konterfei: Große Porträts der Kreistagsmitglieder veranschaulichten den Besuchern die Sitzordnung im großen Sitzungssaal. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Beim ersten Tag der offenen Tür im Landratsamt nutzen etwa 700 Besucher das neue Angebot. Chef Stefan Löwl sucht den Dialog und die Nähe zum Bürger - und die Gäste können live eine Sitzung erleben

Von Benjamin Emonts, Dachau

Michael Möller setzt ein breites Grinsen auf, als er auf dem Chefsessel Platz nimmt. "Suppa is des", sagt er. Hinter ihm steht der eigentliche Boss, Stefan Löwl, mindestens genauso breit grinsend; daneben Möllers Freunde, mit denen er in der Altstadt in einer betreuten Wohngruppe lebt. Dann wird geknipst. So ein Bild muss festgehalten werden.

Das muss sie sein: die Nähe zum Bürger. Um diese zu demonstrieren, hat der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) an diesem Samstag zum ersten Mal überhaupt einen Tag der offenen Tür im Landratsamt veranstaltet. Rund 700 Gäste nehmen das Angebot im Laufe des Tages wahr. Löwl ist gut drauf: Er schüttelt Hände, lacht, macht Witze. Bereits in seiner Begrüßungsrede fällt ihm sein Vorgänger Hansjörg Christmann zum Opfer. "Ich habe etwas gemacht, was Sie in 37 Jahren nicht geschafft haben", frotzelt Löwl. Christmann habe ja vieles bewegt in seiner langen Amtszeit. Aber einen Tag der offenen Tür? Nein. Den hat erst der neue Landrat ins Leben gerufen.

Nun also öffnet der Landrat 45 Minuten lang sein Büro für einen Dialog mit dem Bürger. Als Christmann dort noch residierte, erinnerte der Raum ein wenig an ein Antiquitätengeschäft, so wird kolportiert. Inzwischen sind die Möbel, auch der Lampenschirm, modern. Versteckt in einer Ecke steht eine Schuhputzautomat, auf einem Schränkchen liegt ein Kruzifix. Schließlich steht hinter seinem Schreibtisch ein großes Ölbild vom L andratsamt. Der Dachauer Künstler Thadeusz Stupka hat das durchaus gelungene Kunstwerk gerade noch pünktlich angeliefert. Ja, hier lässt es sich aushalten.

Trotzdem muss Landrat Löwl zehn Minuten warten, bis der erste Besuch kommt. Im ersten Stock läuft parallel ein Film über Biber im Landkreis. "Vielleicht sind dort all die Leute", vermutet Löwl. Dann stürmen die Indersdorfer Hexen plötzlich sein Büro. Der Landrat, wie immer charmant, gibt allen acht Hexen einen Kuss auf die Wange. "Da wird man ja wund", sagt er. Die Hexen lachen.

Die Politik spielt während der 45 Minuten ausnahmsweise eine untergeordnete Rolle. Es gehe vielmehr darum, mit den Bürgern zu kommunizieren, ohne thematisch gebunden zu sein, findet Löwl. Immerhin verrät der 41-Jährige, dass der Landkreis künftig zehn sogenannte "Kümmerer" auf seine Gehaltsliste setzen wird. Die "Hausmeister mit Zusatzaufgaben" (O-Ton Löwl) werden in den zahlreichen Asylbewerberunterkünften des Landkreises eingesetzt und sollen den Flüchtlingen ihren Alltag erleichtern.

Die Rolle des aufgeschlossenen Gastgebers spielt der Löwl gut. Überhaupt gibt sich das gesamte Landratsamt an diesem Tag bunt und offen. Im ersten Stock spazieren die Besucher aufmerksam durch die Sitzungssäle. Im großen Saal tagt normalerweise der Kreistag, im kleineren Raum daneben findet die Bürgermeisterdienstbesprechung statt. Die Stühle hier sind mit großen Bildern des jeweiligen Bürgermeisters überzogen. Verschiedene Abteilungen des Landratsamts haben im ganzen Haus Stände aufgebaut. Im ersten Stock steht das Team Asyl. Auf Stellwänden wird beispielsweise der Königsteiner Schlüssel erklärt. Durch ihn wird berechnet, wie viele Asylbewerber ein Landkreis aufnehmen muss. Auf einer anderen Leinwand sind Fotos aller 17 Asylbewerberunterkünfte auf eine Karte des Landkreises gepinnt. Die Mitarbeiter des Landratsamts haben ihr Haus an diesem Tag kreativ und bunt gestaltet. "Ich finde toll, was für eine Kraft in den Mitarbeitern steckt, wenn man sie arbeiten lässt", sagt Löwl.

Auf dem Vorplatz des Landratsamtes stehen Bierbänke, Grillaromen liegen in der Luft. Über Boxen wird der Auftritt des Grünen Klapprads nach außen übertragen: Die inklusive Band des Franziskuswerks überzeugt wie immer durch ihre frische Art zu musizieren. Im Weiherweg befördert die Freiwillige Feuerwehr aus Markt Indersdorf die Besucher mit einer Drehleiter 30 Meter in die Höhe. Gleich daneben klettern mutige Jungs einen selbst gebauten Turm aus Bierkästen hinauf - gesichert vom Technischen Hilfswerk.

Und dann wird sie doch gemacht, die reale Politik. Im großen Sitzungssaal tagt und debattiert im Beisein vieler Zuschauer der Schulausschuss. Das Besondere: Seine Mitglieder sind heute die Schüler, sie selbst verfügen über die 2000 Euro, die zur Verfügung stehen. 1200 davon gehen an das Josef-Effner Gymnasium, das im Oktober eine große Projektwoche zum Thema Asyl realisieren möchte. Den Rest bekommt das Ignaz-Taschner Gymnasium für eine Sanitätsliege und eine Bank im Pausenhof. Den Schülern des Indersdorfer Gymnasiums, die einen Gedenkpavillon für verstorbene Mitschüler errichten wollen, rät Löwl, einen Beschlussvorschlag an die Verwaltung einzureichen. So könnten sie ihr 3500 Euro teures Projekt komplett finanziert bekommen. Er werde den Antrag wohlwollend behandeln, verspricht Löwl. Ganz bürgernah.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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