Landkreispartnerschaft:Weihnachtsbotschaft

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Kreisrätin Marese Hoffmann betont die Bedeutung der Partnerschaft mit Oświęcim

Von Helmut Zeller, Dachau

Ganze zwei Minuten sind der Kreisrätin Marese Hoffmann (Grüne) in der letzten Kreistagssitzung im Corona-Jahr eingeräumt worden, um über die künftige Beziehung zwischen Dachau und Polen zu sprechen. Klar, vieles ist in der Krise hängen geblieben, zum Beispiel eine würdige öffentliche Verabschiedung der 30 Kreisräte, die nach der Kommunalwahl im März ausgeschieden sind. Aber zwei Minuten für die Partnerschaft zwischen dem Landkreis Dachau und dem Landkreis Oświęcim? Es gibt, mögen manche sagen, wichtigere kommunalpolitische Themen - doch sie täuschen sich. Denn nicht bei Staatsbesuchen, nur zwischen Gemeinden und Städten beider Länder kann ein Fundament der Annäherung und Freundschaft geschaffen werden, die Grundlage für ein einiges und freies Europa. Das war auch einer Gründe, warum Landrat Stefan Löwl (CSU) am 8. August 2015 die Partnerschaftsurkunde mit dem polnischen Landkreis unterzeichnet hat.

Die Partnerschaftsbeauftragte und stellvertretende Landrätin Marese Hoffmann hat die zwei Minuten für eine fulminante Rede genutzt, die in den Appell mündete, an dieser Partnerschaft festzuhalten und sie weiter mit Leben zu erfüllen. "Wir wollen die polnische Opposition für ein freies rechtsstaatliches, europäisches Polen stärken und wir sorgen bei uns für mehr geschichtliches Wissen, das polnisches Leid berücksichtigt. Nur so kann eine gemeinsame Zukunft wachsen." Marese Hoffmann, die seit Jahren leidenschaftlich für die Freundschaft mit Oświęcim kämpft, sieht mit Sorge, dass in diesem Jahr einige Städte und Landkreise ihre Partnerschaften mit polnischen Gemeinden beendet oder auf Eis gelegt haben. Der Grund: Die illiberale Politik der Regierungspartei PiS und ihrer Unterstützer aus der katholischen Kirche, die den demokratischen Rechtsstaat untergraben und Medien sowie Justiz unter ihre Kontrolle bringen wollen. Etwa die Verschärfung des neuen Abtreibungsgesetzes oder die Resolutionen gegen Homosexuelle von Regionalparlamenten, Kreistagen und Magistraten, in denen die PiS-Partei das Sagen hat. Der Powiat Oświęcim gehört nicht dazu. Zuletzt legte Polen ein Veto gegen den EU-Haushalt und das Corona-Hilfspaket ein. Marese Hoffmann: "Gibt es einen Ausweg für die EU aber auch für uns als Partner aus der Sackgasse des PiS-geführten Polen? Der Landkreis Dachau hat die Partnerschaft nicht beendet. Das wäre auch nicht klug gewesen. Denn Polen ist wie viele andere Länder ein zutiefst gespaltenes Land. Abertausende junge Polen gehen gegen die Regierung auf die Straße und fordern ein freies, weltoffenes Polen. Die Opposition erreichte bei der Präsidentenwahl in diesem Jahr 48,8 Prozent für den liberalen Herausforderer und Warschauer Bürgermeister Ralf Trzaskowski. Diese Kräfte müsse Dachau unterstützen, dürfe sie nicht allein lassen. Sie betonte, dass in diesen Tagen in allen nicht von der PiS geführten Kommunen die Europaflagge als Zeichen der Verbundenheit gehisst worden sei.

Gleichzeitig wendet sich die Kreisrätin gegen das Vergessen - gerade auch in Dachau, wo Tausende Polen im Konzentrationslager litten. Sie erinnert an den Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt vor 50 Jahren vor dem Mahnmal der ermordeten Juden des Warschauer Ghettos, der in das deutsche kollektive Gedächtnis als Schuldeingeständnis und Beginn einer neuen Ostpolitik eingebrannt ist. Die Erinnerung an den Warschauer Aufstand 1944, in dem die Stadt von den Deutschen fast völlig zerstört und ungefähr 200 000 Menschen getötet wurden. Für diese Verbrechen wurde keiner der Hauptverantwortlichen vor einem bundesdeutschen Gericht verurteilt - und bis heute gibt es kein Mahnmal für die ermordeten Polen in Deutschland. Zwei Minuten nur. Aber alles war gesagt.

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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