Landkreis Dachau:Auf den Hund gekommen

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Vier speziell ausgebildete Spürnasen helfen den Dachauer Maltesern bei der Suche nach Vermissten. Zweimal in der Woche trainieren die Mantrailer an den verschiedensten Orten.

Matthias Pöls

Brigitte Wurbs drückt die Spürnase ihres Hundes tief in die Plastiktüte. In dieser ist ein Kleidungsstück ihrer zehnjährigen Tochter Antonia. Sie ist verschwunden - für die Dauer des Suchhundetrainings der Dachauer Malteser. "Such", sagt die 37-Jährige, und der Kleine Münsterländer legt sofort los. Theo hält den Kopf leicht gesenkt und lässt die Nase dicht über dem Asphalt des Parkplatzes an der U-Bahn-Station Feldmoching gleiten. Den ganzen Montag lang hat die Sonne geschienen. Am frühen Abend steigt die aufgestaute Hitze aus dem schwarzen Asphalt. Zig Menschen erledigen vor dem arbeitsfreien "Tag der Arbeit" die letzten Einkäufe beim Supermarkt nebenan oder strömen in den U-Bahn-Tunnel. Jeder Einzelne verliert rund 40 000 Hautpartikel pro Minute, jeder hinterlässt seine individuelle Spur. Nach ein paar kleinen Orientierungskreisen läuft der fünfjährige Theo in Richtung U-Bahn-Tunnel, sein Frauchen an der langen Leine hinterher.

50 Prozent leistet der Hund, die andere Hälfte der Mensch", erläutert Staffelleiter Karl-Michael Brand. Der 47-Jährige komplettiert das Team. Wie bei einem echten Einsatz begleiten zwei Personen die Spürnase. Eine ist für die Koordination mit der Polizei via GPS, Funkgeräten und eventuellen Sanitätseinsätzen zuständig. Die andere Person führt die intensive Kommunikation mit dem eigenen Personenspürhund, dem sogenannten Mantrailer.

Diese über zwei bis drei Jahre speziell ausgebildeten Tiere suchen im Gegensatz zu anderen Suchhunden nach nur einer bestimmten, vermissten Person. Theo ist einer von vier Hunden aus dem Dachauer-Malteser-Team, die Anfang des Jahres erfolgreich die Prüfung zum Mantrailer abgelegt haben. Vier weitere Hunde sollen folgen. "Wir wollen ein einsatzbereites Team mit zehn Hunden aufbauen", sagt Karl-Michael Brand.

Der braun-weiße Münsterländer Theo hat die Spur verloren und will in eine Seitenstraße abbiegen. "Nein", sagt Brigitte Wurbs kurz und kräftig. Theo dreht um und rennt wieder zielgerichtet die Treppe hinunter. Am Gleis wartet eine U-Bahn, der Kleine Münsterländer hält die Nase in die offene Tür hinein. "Vorsichtig, die fährt gleich los", warnt Karl-Michael Brand. Brigitte Wurbs hält die Leine straffer. Der Rüde kommt wieder heraus. Rennt einen Kreis, schüttelt sich und bellt sein Frauchen einmal an. "Super", lobt die 37-Jährige und knuddelt ihren Hund ausgiebig. Den ersten Teil des Trainings hat Theo erfolgreich absolviert. Beim sogenannten Short cut verliert sich die Spur, und das soll der Hund erkennen. Die vermisste Antonia ist offensichtlich mit einer Bahn weitergefahren, Theo hat es erkannt und mitgeteilt. "Das ist schon die hohe Kunst."

Brigitte Wurbs löst die Leine vom Geschirr und legt sie um den Hals von Theo. "Das ist der Pausenmodus", erklärt sie, so wisse der Hund, dass die Suche nun unterbrochen ist. Das Geschirr gehört zum Ritual, wenn das angelegt ist, dann wisse Theo: Jetzt geht die Arbeit los, und die macht ihm Spaß, ist für ihn mehr ein Spiel. Zum Kleinen Münsterländer, einer Jagdhundrasse, ist Brigitte Wurbs mehr zufällig gekommen. Dann stellte sich ihr die Frage, wie das Tier wesensgerecht gehalten werden kann. "Irgendwie musste ich ihn beschäftigen." Den Hund könne man zu nichts zwingen, also wurde mit kleinen Suchspielen begonnen. Im vergangenen Jahr fuhr das ehrenamtliche Malteser-Suchhundeteam sogar zur Schweizer Polizei und nahm an deren Ausbildungen für die Mantrailer teil.

Zurück in den Playmodus. Nach einer kurzen Fahrt zur Station Hasenbergl legt Brigitte Wurbs wieder die Leine an das Geschirr. "Das ist eine heftige Situation", erklärt Karl-Michael Brand. Durch die Luftverwirbelungen der beidseitigen durchfahrenden Bahnen hat sich die Spur verzogen. Eine der anspruchsvollsten Trainingseinheiten, die ein- bis zweimal in der Woche an verschiedenen Orten absolviert werden.

Doch für Spürnase Theo ist auch das scheinbar kein Problem. Er zieht sein Frauchen die Treppe hinauf, raus aus dem U-Bahn-Tunnel und beschnuppert die ersten Menschen. "Ein Zeichen, dass er fast am Ziel ist", sagt Karl-Michael Brand. Und tatsächlich kauert hinter der nächsten Ecke an einer Hecke Antonia. Der Hund macht einen kecken Sprung in die Luft und stolziert eine Runde um das nicht mehr vermisste Töchterchen von Brigitte Wurbs. Theo ist bereit, auch im Ernstfall seine Spürnase in eine Plastiktüte zu stecken.

© SZ vom 02.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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