Lachsalven und viel Beifall vom Publikum:Leicht bekleidet bei der Nachbarin

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Das Leben ist ein Kabarett: Stefan Zinners wunderbar komische Geschichten des Alltags

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Keine Frage: Stefan Zinner ist ein bekannter Mann. Als Kabarettist, als Schauspieler und insbesondere natürlich als Alter Ego von Markus Söder beim alljährlichen Starkbieranstich auf dem Nockherberg kennt ihn eine riesige Fangemeinde. Gut möglich, dass Zinner in den vergangenen Tagen ein wenig ins Schwitzen gekommen ist bei der Frage, wie es in Bayern politisch weitergeht - und dass er jetzt beim Gedanken an die eigene Zukunft als Double des mittlerweile zum bayerischen Ministerpräsidenten aufgestiegenen Franken langsam aufatmet.

In seinen eigenen Kabarettprogrammen war Stefan Zinner allerdings nie politisch, und wer am Samstagabend in die Schwabhausener Post kam, wartete dann auch vergeblich auf irgendwelche Anspielungen auf die jüngsten politischen Ereignisse. Lediglich der Post-Wirt Heini Kellerer sprach bei seiner Begrüßung der Gäste von einer "g'mahten Wiesn", mit der Zinner mindestens während der nächsten zehn Jahre rechnen könne. Wer diesen schönen, sehr bairischen Ausdruck nicht kennt: Mit der "g'mahten Wiesn" hat man keine Arbeit - sprich: keine Sorgen - und kann sich in Ruhe zurücklehnen.

Das allerdings ist, wörtlich verstanden, nicht Zinners Sache. Er porträtiert seit jeher das tägliche Leben. Und das ist mindestens so spannend und so bewegt wie die Politik. Egal, ob sich Zinner als Radfahrer durch den Wahnsinn des Münchner Verkehrs bewegt, ob er seine Rolle als Vater von drei Kindern schildert oder seine Begegnungen auf den Straßen Schwabings: Für einen Menschen wie ihn bietet sich immer und überall herrliches Kabarett-Material. Mit wunderbarem Gespür für Komik schildert er Szenen aus dem häuslichen Leben wie der, in der er, frisch geduscht und nur mit einem Handtuch um die Lenden, dem Paketboten die Tür öffnet und sich, durch widrige Umstände bedingt, immer noch spärlich bekleidet beim Kaffeetrinken in der Wohnung der Nachbarin wiederfindet. Der kommt der Besucher gerade recht: Angesichts des unmittelbar bevorstehenden Weltuntergangs will sie noch einmal "etwas riskieren" - und sich ein Tattoo machen lassen. Zinner soll ihr helfen, die Tattoo-Folie auf ihrer Reversseite zu befestigen - und kann sich diesem Wunsch nur noch durch schnellste Flucht in die eigene Wohnung entziehen. Apropos Tattoo: Auch eine seiner Töchter wünscht sich eines, und Zinner schlägt vor: Wenn schon, dann eines für die ganze Familie und bitte mit einem Motiv, mit dem sich alle identifizieren können - mit einer schönen, saftigen, fetttriefenden Schweinshaxn auf der Brust beispielsweise.

Zinner ist aber nicht nur ein Mann mit ausgeprägtem Gespür für Situationskomik, sondern darüber hinaus auch ein begabter Gitarrist mit kraftvoller, höchst vielfältig einsetzbarer Stimme. Das klingt dann nach amerikanischer Country Music, nach schönem Blues oder auch nach dem ein oder anderen bayerischen Barden. So sei er etwa von Georg Ringsgwandl nachhaltig inspiriert worden, sagt Zinner später, als er bereits beim Signieren seiner CDs ist. Seine Texte schreibt Zinner selbst, und sie sind so bairisch wie die Sprache des in Trostberg aufgewachsenen Münchners insgesamt. Das bedeutet allerdings auch: Wer diese Sprache nicht genauso selbstverständlich wie Zinner spricht, der hat durchaus hin und wieder Verständnisschwierigkeiten. Ohnehin kommen die Pointen so schnell wie die Bälle bei einem guten Tennismatch: Zinner springt von Thema zu Thema, schweift ab, kommt zurück, ob im frei improvisierten Flug oder doch sehr bewusst inszeniert, ist schwer abschätzbar.

Musikalisch unterstützt wird Stefan Zinner in seinem aktuellen Programm mit dem bezeichnenden Motto "Relativ Simpel" von dem Schweizer Schlagzeuger Andy Kaufmann, der sich zwar im Hintergrund hält, durchaus aber auch eigene Akzente setzt. Das Bühnengeschehen selbst ist allerdings immer von Zinner dominiert: Der große, schlanke Mann ist ständig in Bewegung und braucht mit seinen ausholenden Gesten und parodistischen Schilderungen seiner Mitmenschen den ganzen Bühnenraum. Dazwischen legt er schnell mal eine - ebenfalls parodistisch gemeinte - Tanznummer hin oder liest, auch dies sehr bewegt, sehr körperbetont, einen Text wie dem von seiner Begegnung mit "Gott" in Schwabing.

Das Publikum in dem bis auf den allerletzten Platz besetzten Saal hat Zinner bereits vom ersten Satz an auf seiner Seite. Es quittiert jede Pointe mit Lachsalven und applaudiert begeistert die musikalischen Einlagen. Zuletzt: Jubel, ein paar Zugaben - und schließlich eine lange Schlange vor dem Signiertisch.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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