KVD-Galerie Dachau:Haikus und ein ertrunkenes Handy

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Maria Detloff widmet sich in der KVD-Galerie lyrisch den vier Jahreszeiten, Denise Hachinger macht Bewegungen sichtbar und die Performance-Künstlerinnen Simona De Fabritiis und Stephanie sorgen mit ihrer Arbeit für anregende Verwirrung

Von Petra Neumaier, Dachau

Die Lichtinstallation von Denise Hachinger reagiert auf die Bewegungen der Besucher. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Kabel am Boden. Scheinbar wahllos abgelegte unförmige Blöcke, Steine, Tierschädel, Formen, Federn, vertrocknete Gräser und Blumen, zwei schmale Latten, die sich stützen. Verwirrung: Ist das eine Baustelle? Oder doch Kunst? Noch einmal hinaustreten durch die Schiebetür. Ja, Galerie KVD. Ja, hier ist eine der Ausstellung der Reihe "Raus" zum 100. Jubiläum der Künstlervereinigung Dachau.

Also noch mal hinein. Wundern. Über das Chaos, in dem man eine Ordnung sucht. Weil man ja immer die Ordnung im Chaos sucht. Und den Sinn im scheinbaren Unsinn. Also noch mal hinschauen. Unvoreingenommen. Wie ein Kind. Still sitzen sich auf den beiden Teppichen rechts und links des Ganges in dem scheinbaren Durcheinander von natürlichen und künstlichen Objekten zwei grobe Decken gegenüber - gefaltet und aufgestellt wie ein geometrischer Kegel. Zelt oder verhüllte Mumie? Das ist die Frage. Leer schauen sich zwei Lücken an, während im Hintergrund auf der einen Seite eine projektierte Spinne im Netz krabbelt und auf der anderen Seite Hände nach Unsichtbarem greifen ...

Maria Detloff, die an diesem Sonntag die Ausstellung der Künstlervereinigung Dachau bewacht, schüttelt den Kopf. Sie ist selbst etwas ratlos, was die Installation von Simona De Fabritiis und Stephanie erzählt. Inklusive am Boden liegende Sitzmassagematte und Aquarium, in dem zeitweise ein Handy in Plastiktüte schwamm (es ist abgesoffen und musste herausgefischt werden) nimmt sie ein gutes Drittel des Ausstellungsraumes ein. Auch die schriftliche Erklärung des Werkes der bekannten Performance-Künstlerinnen hinterlässt Fragezeichen. Es lässt einen aber auch gedanklich nicht los, gleichzeitig lässt es Raum für eigene Interpretationen, von der Endzeit bis hin zum politischen wie persönlichen Chaos und stummen Gefangensein im Netz der Spinnen und Grenzen. "Extravivarium" lautet ja auch der Titel - und so handelt es wohl tatsächlich um ein Gehege, in das man sich begibt oder bereits befindet ...

Ein Beitrag im neuen Kulturspiegel Altoland ist ein Interview mit der Altomünsterer Malerin und Kunsterzieherin Maria Detloff anlässlich ihres 75. Geburtstags. (Foto: Niels P. Joergensen)

So exotisch und verwirrend diese Installation auch ist, so sehr zeigt sie in der Hauptgalerie der Künstlergruppierung, wie vielfältig ihr Schaffen ist und dass es für alle einen Raum gibt und jeder seinen Platz findet. Natürlich auch Maria Detloff selbst, die mit ihren "4 Jahreszeiten" einen gedanklichen Ruhepunkt setzt: Gedeckt sind ihre Farben, selbst die des Sommers, alles ist reduziert aufs Wesentliche. Viel Himmel ist darauf zu sehen. Die Künstlerin, deren Vater schon Maler war, liebt den Himmel und all seine Gesichter. In ihre Bilder mag man versinken - auch in ihre Haikus, in denen sie die Jahreszeiten, ebenfalls auf wesentliche, kraftvolle Worte reduziert, eindrucksvoll beschreibt. Stuhl, Zettel und Stift laden die Besucher ein, eigene Haikus zu dichten. Maria Detloff lächelt mild. Die Kunst steckt bei ihr nicht nur im Pinsel, sondern auch in den Worten.

Wie ein Ufo dominiert gleich daneben die Kontemplationsschale von Peter Feermann den Raum, eine halbe Holzkugel, die mit bequemen Polstern ausgeschlagen ist. Das Rundboot trieb bislang auf zwei Seen im Landkreises, der dritte wird am Samstag, 31. August, von zwölf Uhr beschifft: der Obergrashofsee. Die Schale an sich ist zwar schon ein beeindruckendes Objekt. In erster Linie sieht der Künstler aber den Augenblick als Kunst, wenn der Benutzer für 20 Minuten steuer- und machtlos im Wasser treibt: sicher getragen und den Blick in den Himmel gerichtet. Stress, Sorgen, Ängste ade! Kein Wunder, dass die Termine noch vor Eröffnung der Jubiläumsausstellung ausgebucht waren.

Bewegung sichtbar machen, darum geht es bei der Lichtinstallation von Denise Hachinger. Wie eine unvollständige Tastatur hängen die 64 weißen, quadratischen Lampen an der Wand, die aufleuchten, sobald der Betrachter vorbeiläuft. Je schneller desto mehr. Ein Spiel mit Licht, wo eigentlich ein Schatten sein sollte.

Die Ausstellung in der KVD-Galerie endet wie auch die anderen Indoor-Ausstellungen von "Raus" am Sonntag, 1. September. Öffnungszeiten: Freitag und Samstag, 15 bis 19 Uhr, Sonntag 12 bis 18 Uhr.

© SZ vom 30.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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