Kurzkritik:Chiemsee-Komödie aus dem Stegreif

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Von Sophia Dittmann

DachauZwischen 70 und 80 Zuschauer sitzen kurz vor Beginn der Vorstellung am Sonntagabend erwartungsvoll im Vorführungsraum der Kulturschranne, denn keiner weiß, was gleich bei der "Polka di Bavaria" passieren wird. Noch ist unklar, was sie heute auf der Bühne zu sehen bekommen werden. Und damit nicht genug: Das bayerische Improdoppel Christine Sittenauer und Tobias Zettelmeier ist gleichermaßen gespannt, auf welche schauspielerische Reise die Ideen der Gäste sie wohl an diesem Abend schicken. Mit dem Improvisationstheater ist das immer so eine Sache. Es gibt kein Zurück, kein Korrigieren. Jede Vorstellung der beiden Münchener ist somit eine Premiere.

Pünktlich um 20 Uhr laufen aus den hinteren Reihen die beiden Schauspieler, entsprechend dem Motto des Abends in Tracht gekleidet, mit musikalischer Begleitung ihres Gitarristen Matthias Pittrich auf die Bühne. Zum Einstieg müssen die wichtigsten Fragen für den ersten Sketch des Abends geklärt werden, das Publikum muss mitwirken. Wo in Bayern soll das Geschehen stattfinden? Welche Charaktere sollen die beiden Improvisationskünstler zum Leben erwecken? Es wird sich rasch auf ein Fünf-Sterne Hotel am Chiemsee geeinigt. Champagnertrinkende Luxusfrauen, russische Hotelarbeiter, gute Seelen, einen bemühten Hotelchef der bairische Sprachkurse anbietet und reiche Gäste aus Preußen sollen vorkommen. Eine Menge Vorgaben für die beiden, jetzt liegt es allein an ihren Improvisationskünsten, was sie spontan daraus zaubern.

Es folgt eine Darbietung, die einem im Glauben lassen könnte, der gesamte Sketch sei einstudiert. Die beiden Münchener wirken so gut aufeinander eingespielt, dass sie es ohne erkennbare Schwierigkeiten schaffen, eine Handlung zu kreieren. Aus dem Stegreif beschreibt Sittenauer detailgetreu ein Hotel am See, sodass jeder im Raum sofort ein Bild der Szene im Chiemgau vor Augen hat. Beide Akteure erwecken mit wechselnden Requisiten und einem großen Repertoire an verschiedenen deutschen Dialekten augenblicklich die zahlreichen Charaktere zum Leben.

Es kommt zu Szenen, in denen Zettelmeier von Stuhl zu Stuhl hüpft, um das Gespräch zwischen einem Gast und dem Hotelchef darzustellen. Mit durchgängiger Ironie bedienen sie sich an Stereotypen von Brauchtum und Sitten aus unterschiedlichen Regionen. In den Mittelpunkt setzen sie die Rettung des Hotels in seiner finanziellen Notlage durch ein Konzert der Luxusdame Trixi. Die schlagfertigen Wortwechsel sowie die energiegeladene Darstellung der rasch erfundenen Handlung sorgen für viele Lacher aus dem durch die Bank begeisterten Publikum. Die Zuschauer staunen: Christine Sittenauer kann richtig gut singen.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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