Kunstkreis Karlsfeld:Macht doch, was ihr wollt

Lesezeit: 2 min

Erstmals gibt es beim Kunstkreis Karlsfeld keine Themenvorgabe für die gemeinsame Jahresausstellung

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Dieter-Kleiber Wurm hat in seinem Leben schon viele Ausstellungen auf die Beine gestellt. Allein für das Unternehmen Krauss-Maffei hängte er als Mann fürs Schöne mehr als 150 Ausstellungen. Auch als Vorsitzender des Kunstkreises Karlsfeld hat er seit 30 Jahren ein scharfes Auge darauf, dass alles zusammenpasst. Das ist ihm und seinem Team auch diesmal gelungen: Die Jahresausstellung präsentiert sich vielfältig im Detail, aber stimmig im Gesamtbild. Dazu tragen auch die Skulpturen bei, die den lichten Raum strukturieren, fast wie Grenzsteine für all die verschiedenen Ausdrucksformen zwischen Aquarell, Acryl und Fotografien.

"Der Wächter", eine Arbeit des Bildhauers Klaus Herbrich, bildet den Mittelpunkt, und wie so oft bei Herbricht besticht die Arbeit durch ihre extrem einfache, aber umso stärkere Formsprache: Die Details liefert das Material selbst, etwa ein Stein, der über den minimalistischen Golzschädel wie ein Helm übergestülpt ist: Der Gneis hat eine feine, strähnige Maserung, fast wie Haare. Verkauft ist das Werk auch schon. Stefan Löwl hat es sich für seine eigenen Ausstellungsräume im Landratsamt Dachau gesichert. Aber diese Woche darf er noch in Karlsfeld stehen, der Wächter. Sein Job dauert noch bis Sonntag.

"Es ist nicht ganz einfach, eine Ausstellung ohne Thema zu gestalten", sagt Dieter Kleiber-Wurm. Das ursprünglich vorgesehen Thema "Kunterbunt" war durchgefallen; einige fanden, das klinge zu sehr nach Kindergarten. Trotzdem haben einige Künstler das Thema aufgegriffen. Unter dem Titel "BUNT - Die Farbe Mensch" zeigt Carin Szosteki ein Collage von Kindern aus aller Welt. In Schwarzweiß. Das wirkt auf den ersten Blick paradox, ist aber nur konsequent: Hautfarbe, Kultur, Religion, das alles sind nur nebensächliche Details, wo es ums Menschsein geht.

Manfred Schmölz, der sonst eher für seine zarten Landschaftsaquarelle bekannt ist, wartet diesmal mit einem ornamentalen Farbenfeuerwerk auf. Auch Dieter Kleiber-Wurms-Beitrag "Oktober 2017" macht dem verhinderten Thema "Knallbunt" alle Ehre: Rot und Gelb verlaufen vor einem eisigblau-grünen Hintergrund zu einer feurigen Komposition. Besonders bemerkenswert ist der Beitrag des Fotografen Klaus-Peter Kühne. Auf den ersten Blick mutet seine Fotografie eher an wie das kühne Farbexperiment eines modernen Malers. Erst auf den zweiten Blick offenbart sich, dass es sich um die Spiegelungen der Umgebung auf dem metallischen Torso einer Schaufensterpuppe handelt. Das ist faszinierend und hochgradig raffiniert, sowohl technisch wie ästhetisch.

Absichtlich verrutscht

Nicht alles muss bunt sein für die Kunst. Die kleinformatigen Arbeiten, von Liz Schinzler muten wie aus tieferen Erdschichten geborgene archaische Artefakte einer untergegangenen Zivilisation an: verkrustete Passepartouts mit verwischten, teilweise verkratzten Motiven, die in ihrer kalten Geometrie etwas Urbanes ausstrahlen. Eines der Motive ist absichtlich verrutscht und scheint fast von der Leinwand zu kippen. Die Arbeit trägt den Titel "aus dem Rahmen fallen, um im Bild zu bleiben". Man könnte es auch als Kommentar zu dieser Ausstellung lesen.

Diese thematische Offenheit wirkt keineswegs wie eine Schwäche, eher wie eine Befreiung. Früher vorgegebene Formate, Stile und Themen lagen den Künstlern nicht immer, und Dieter Kleiber-Wurm gibt zu, dass man das bisweilen auch gemerkt habe; dass manches "verkrampft" gewirkt habe. Gleichzeitig waren Themen wie etwa "Strukturen" immer noch so weitgefasst, dass der Betrachter nicht unbedingt erkennen konnte, was denn nun die große Klammer für den gemeinsamen Auftritt sein soll. Ob es 2018 wieder ein gemeinsames Thema gibt, entscheiden die Mitglieder. Notwendig ist es aber sicherlich nicht. Es wäre doch auch jammerschade gewesen, hätte man das in Staubgrau gehaltene Werk des jüngsten Mitglieds, der 40-jährigen Brasilianerin Tayama da Silva-Nielsen nicht zu sehen bekommen. Es trägt den Titel "Consumation of Laundry" und ist ein kunstvolles Arrangement von Fusseln aus der Waschmaschine. Und so erfährt nebenbei die Antwort auf eines der größten Rätsel: wohin die Socken in der Waschmaschine verschwinden.

Jahresausstellung des Kunstkreises Karlsfeld in der Galerie Kunstwerkstatt, Am Drosselanger 7. Noch geöffnet an diesem Samstag, 18. November, und Sonntag 19. November, jeweils von 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: