Kunstkreis Karlsfeld:Die Wogen haben sich geglättet

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Roselind Graf greift in ihren Bildern oft Naturmotive auf. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Roselind Graf fühlte sich als Flüchtlingskind nicht willkommen. In der Natur fand sie Zuflucht, in der Kunst ihre Ausdrucksform

Von Andreas Förster, Karlsfeld

Wer schon einmal in der Galerie Kunstwerkstatt am Drosselanger 7 war, der weiß, wie hell, luftig und einladend der Ausstellungsraum im ersten Stock ist. Roselind Grafs Bilder wirken, als wären sie genau in diesem oder für diesen Raum gemalt worden: Kräftige Blau-, Grün-, Gelb- oder Rottöne dominieren, hier und da ein zartes Türkis, Mintgrün oder Rosa vermitteln eine positive Grundstimmung, die mit dem freundlichen Raumgefühl gut harmoniert. Tatsächlich aber sind sie in einem dunklen Kellerraum im Haus der 78-Jährigen entstanden, mit einem eher schmalen Fenster und künstlichem Licht, weil "woanders einfach kein Platz für die Staffelei ist." Doch da sie sowieso eher abends oder nachts arbeitet, habe sich die Frage nach dem natürlichen Tageslicht sowieso erledigt, sagt Graf, die sich die Malerei größtenteils selbst beigebracht hat. "Bis auf ein paar Kurse nach meinem Ausscheiden aus dem Berufsleben, und ein bisschen was im Studium", sagt Graf. Sie hat Lehramt studiert für Grund- und Hauptschule, unterrichtete unter anderem Biologie und Sport. Nun, als Rentnerin, widmet sie sich verstärkt der bildenden Kunst. Auch eine 30 Zentimeter hohe Skulptur hat Graf, die eigentlich aus Hinterpommern stammt und seit 1977 in Dachau wohnt, ausgestellt: ein offenes Haus mit einer langen Wendeltreppe, das bei der Sommerakademie von Keramikkünstlerin Claudia Flach vor einigen Jahren entstand.

Sie habe sich in ihrer Schulzeit und Jugend als Kind einer protestantischen Flüchtlingsfamilie im streng katholischen Nachkriegs-Landshut oft unwillkommen gefühlt und daher immer schon viel Zeit in der Natur und später in ihrem Garten verbracht. Die Natur war ihre Zuflucht. Der Blick durch das große Rundfenster in Richtung Wald und Felder jenseits der Bajuwarenstraße wirkt daher wie eine stimmige Ergänzung der Naturmotive, die Grafs Bilder beherrschen. Was genau auf den mehrheitlich schemenhaften, teils ganz abstrakten Bildern zu sehen ist, möchte Graf nicht sagen. "Ich habe bei allen Bildern bewusst auf Titel und Erklärungen verzichtet", betont sie, "denn jeder sieht etwas anderes darin, und das muss nicht mit dem übereinstimmen, was ich ausdrücken wollte ..."

Wasser, das scheint unstrittig, steht oft im Mittelpunkt, sei es als ruhiger Teich, als reißende Flut, plätscherndes Bächlein oder mäandernde Flussströmung. Weitere Bilder erinnern an unterschiedliche Himmelsstimmungen. Manches ist lieblich, gerade die angedeuteten Landschaften. Manches pastellig, Wohlfühlbilder für die gepeinigte Seele. Dazwischen mischen sich Bilder mit Farbexplosionen, starken Kontrasten, Weißschattierungen zu Dunkelgrau, dazu Schwarz, Braun, unterschiedliche Violetttöne. Im Mix mit verwischten Konturen lassen sie eine andere Deutung zu, nämlich die einer ungezähmten und unkontrollierbaren Natur, aber auch das Wilde, Ungezügelte in einem selbst. Das trifft zweifelsohne auch auf die Künstlerin zu, die ihre Kunst so beschreibt: "Sie ist Ausdruck meiner persönlichen Gefühle und Gedanken." Sie könne nicht schreiben oder komponieren, so sei die Malerei der beste Weg, ihre Empfindungen kreativ zu verarbeiten. Graf malt seit sie jung ist. Ihr Kunstlehrer auf dem Gymnasium lobte einst eines ihrer Bilder, das gab ihr den entscheiden Impuls. "Es war das erste Lob meines Lebens, an das ich mich erinnern kann. Von da an wusste ich, dass Zeichnen und Malen meine Ausdrucksform ist."

Alle Bilder sind neueren Datums, die meisten mit Acrylfarben gemalt, zwei mit Ölfarben. Graf hatte beim Aufhängen Hilfe vom Kunstkreisvorsitzenden Klaus-Peter Kühne. Wegen ihrer Multi-Arthrose kann sie auch nicht mehr töpfern. Aber das Malen klappt noch. Und das Klavierspielen auch. Damit hat sie erst vor acht Jahren, mit 70 Jahren, angefangen. Ob sie sich einen Auftritt vor Publikum vorstellen kann? "Auf keinen Fall, damit gehe ich nur meiner Familie auf die Nerven", winkt Graf lachend ab.

Der Kunstkreis Karlsfeld zeigte eine Ausstellung der Dachauer Künstlerin Roselind Graf. Die Schau mit überwiegend hochformatigen Arbeiten ist an den Wochenenden 13./14. und 20./21. September jeweils von 14 bis 18 Uhr in der Galerie Kunstwerkstatt am Drosselanger 7 zu sehen.

© SZ vom 12.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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