Kunst und Politik:Die Klima-Challenge

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Unter dem Titel "Voices for Future" singen Chöre der Korneliuskirche in Karlsfeld über Umwelt- und Klimaschutz. Das Publikum ist eher betagt, bis auf ein paar Mitglieder der Fridays for Future Bewegung

Von Anna-Elisa Jakob, Karlsfeld

Einer der letzten Zuhörer, die am Samstagnachmittag in den Reihen der Karlsfelder Korneliuskirche Platz nehmen, ist ein kleiner Junge - auf dem Kopf eine Mütze, augenscheinlich hatte er draußen gerade noch Kastanien gesammelt. Er ist einer der Jüngsten im Publikum, doch gerade um ihn und die Zukunft seiner und nachfolgender Generationen soll es heute gehen: Unter dem Titel "Voices for Future" singen die Chöre und Jugendgruppen der Korneliuskirche über Umwelt- und Klimaschutz.

Zunächst singen aber die Großen, der Chor aus Erwachsenen stimmt auf der Bühne ein Gospellied an. "Stand up, stand up, clap your hands". Noch steht niemand, aber spätestens als am Ende des Konzertes Jung und Alt gemeinsam "Heal the world" von Michael Jackson singt, werden sich alle Reihen erheben und mitklatschen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl in dieser Sache - der Rettung des Weltklimas und der Umwelt - ist Moderator Marco Brandstetter wichtig zu betonen, sowohl in Worten als auch in den zum Publikum gewandten Gesten.

In der Karlsfelder Korneliuskirche beschäftigen sich die Chöre und Jugendgruppen mit dem Themen Klima und Umwelt. Passend dazu werden Lieder gesungen wie "Heal the world" von Michael Jackson oder "Hallelujah". (Foto: Niels P. Joergensen)

Da das erste Lied von einsamen Stimmen handelt, die sich gemeinsam zu einem glücklichen Chor erheben sollten, zieht er einen Bogen zu dem bekanntesten Gesicht der Fridays For Future-Bewegung: "Auch Greta Thunberg war erst mal eine einsame Stimme." Mittlerweile hätten allerdings mehr und mehr Menschen verstanden, dass etwas getan werden muss. Ein älterer Mann in einer der hinteren Reihen steht auf, sieht ein paar Sekunden durch den Sucher seiner Kamera und knipst ein Foto der Situation, als wolle er auch diese mit Bedacht für die Zukunft einfangen. Generell ist das Publikum in der Korneliuskirche heute eher betagt, einzig ein paar jugendliche Mitglieder der Fridays For Future-Ortsgruppe haben sich in den hinteren Reihen unter die Anwesenden gemischt. Das könnte auch der Grund dafür sein, dass zu Beginn der Veranstaltung zunächst viel reflektiert wird; da ist beispielsweise Eckart Moj, der sich nach einem gemeinsamen "Hallelujah" aus der hintersten Chorreihe löst und von seinem ehemaligen Beruf erzählt.

Moj arbeitete für einen großen Chemiekonzern, war Teil der Verbreitung der wachsenden Synthetik-Industrie, die in den Sechzigerjahren noch einmal einen Aufschwung bekam. "Heute schäme ich mich fast dafür, bei der Verbreitung von Synthetik mitgearbeitet zu haben." Schließlich sei ja schon allein die wichtigste Eigenschaft der Kunstfaser - "ein Stoff, der so in der Natur nicht vorkommt" - bezeichnend dafür, vor welche Schwierigkeiten seine Zersetzung unsere Natur stelle. Nach seinem Appell, synthetische Stoffe, also zum Beispiel Plastik und Polyester, zu meiden, tritt Karola Bühler ans Mikro, und macht das Ganze noch einmal deutlicher: "Schon ab Montag können Sie anfangen", sagt sie eindringlich. Am Ausgang warteten auf die Besucher des Konzertes 250 selbstgenähte Stoffbeutel, die sie für den Einkauf von Obst und Gemüse verwenden könnten.

Zwischen den Gesangseinlagen gibt es auch einige Wortbeiträge, etwa von einem Mitarbeiter eines Chemiekonzerns oder der Fridays for Future Ortsgruppe. (Foto: Niels P. Joergensen)

Man gibt sich an diesem Tag Mühe, zu zeigen, dass Umwelt- und Klimaschutz als großes Thema in der Gemeinde Karlsfeld angekommen sind. Im Übrigen auch im Kommunalwahlkampf: So haben sich auch die beiden Bürgermeisterkandidaten, Stefan Kolbe (CSU) und Bernhard Goodwin (SPD) unter die Konzertbesucher gemischt, der eine auf der rechten, der andere auf der linken Seite des Kirchenschiffs. "Es geht aber auch nicht darum, dass wir uns nun alle selbst bestrafen, sondern eben Dinge tun, die uns allen etwas bringen", ist es Marco Brandstetter noch wichtig zu betonen, unterstrichen mit einer Geste, die er an alle richtet.

Das hört sich anders an, als nun nach einigen Gesangseinlagen die jüngere Generation nach vorne tritt. Lena und Marlene, aus der Jugendgruppe der Korneliuskirche, beginnen mit einem klaren: "Just do it", das sie übersetzen mit "Macht es doch einfach". Auch sie reflektieren, über sich und ein umweltbewusstes Verhalten der Jugend: "Viele von uns sind Vegetarier, wir gehen regelmäßig demonstrieren, machen viel elektronisch und nicht auf Papier." Doch was können sie noch tun? Dafür haben Sie eine "Klima-Challenge" entworfen, die sie an das Publikum weitergeben wollen. Die liegt in Form von Flyern aus, allerdings nur in wenigen Ausführungen - nur für diejenigen, "die wirklich nicht einfach ein Foto machen können." In sauberer Handschrift steht auf den Zetteln zum Beispiel, wie man Wasser sparen kann, dass man saisonal einkaufen und den Nahverkehr nutzen kann.

Der kleine Junge mit den Kastanien steht mittlerweile auf einem Schoß, damit auch er gut nach vorne sehen kann. Als alle gemeinsam die letzten beiden Lieder anstimmen winkt er unermüdlich in Richtung Kanzel, bis Marco Brandstetter die begeistert klatschenden Besucher mit den Worten verabschiedet: "Bleiben Sie unserer Erde treu."

© SZ vom 21.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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