Kunst in Dachau:Mit der Kraft des Rohrreinigers

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Der Oberrother Künstler Matthias Metz erschafft aus Supermarktkartons verspielte Collagen zwischen Pop-Art und Tetris, die beim Betrachter für gute Laune sorgen. Zu sehen ist die originelle kleine Ausstellung derzeit im Dachauer Forum

Von Gregor Schiegl, Dachau

Die schöne bunte Konsumwelt transformiert Matthias Metz zu Kunstwerken, die mal knallbunt sind wie sein dreifarbiges Paneel. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Jede Branche hat ihre eigenen Nöte. In den Supermärkten ist es zum Beispiel die Frage, wie man die Berge überschüssiger Pappe der Umverpackungskartons wieder los wird. Sogar ein eigenes Vokabular haben die Handelsketten für die Entsorgung entwickelt: "Abschachteln", "Abpappen" oder "Pappe ziehen". Der in Oberroth bei Schwabhausen lebende Künstler Matthias Metz hilft ihnen beim Abschachteln. Zumindest ein bisschen, denn Supermarktkartonagen sind der Rohstoff für viele seiner Kunstwerke, die er zu schicken bunten und dabei auch oft recht witzigen Collagen umarbeitet. Ihre Herkunft aus dem Discounter verleugnen die Werke nicht. Oft tragen sie leckere Titel wie "Cafe Crema", "Cookie Crisp", "Pandoro die Verona", "Robby Bubble" oder "Pink Palermo" - je nachdem, in welchem Regal Matthias Metz gerade zugegriffen hat. Das Upcycling von Überbleibseln der Wegwerfgesellschaft liegt im Trend; es ist umweltfreundlich, nachhaltig und klimaneutral und wirkt unterschwellig auch immer ein bisschen kapitalismuskritisch. Doch der in Dachau geborene und aufgewachsene KVD-Künstler, hat gar nicht den Anspruch, anderen die Welt zu erklären oder sie gar zu irgendetwas zu ermahnen. "Meine Kunst soll lustig sein und Spaß machen", sagt der 35-Jährige. Die schlichte Motivation dahinter: "Ich mag Menschen." Dieser Satz fällt beim gemeinsamen anschauen der Ausstellung in den Räumen des Dachauer Forums immer wieder.

Gute Laune können die Leute gerade jetzt gut gebrauchen, etwas Heiteres, das einen nicht vor lauter Bedeutungsschwere in den Abgrund zieht - etwas von der Leichtigkeit von Wellpappe. Wobei die Wahl des Materials ganz schnöde ökonomische Gründe hat. Sie kostet den Künstler nichts. "Ich gehe in den Supermarkt und suche mir die Kartonagen aus, die mir gefallen." Dass man mit Pappe tolle Sachen machen kann, hat Metz quasi von der Pike auf gelernt. An der Akademie der Bildenden Künste in München hat er Bühnenbild für Theater und Film studiert. In seinem Brotberuf ist er Techniker am Gärtnerplatztheater. Der eine oder andere hat Metz vielleicht auch schon mal im Film gesehen, wo er immer wieder als Komparse zum Einsatz kommt. Eine Leiche im "Tatort" war er zwar noch nie, "aber ich habe mal mit einer gesprochen". Das kann nun auch nicht jeder von sich behaupten.

Überraschend ist die Bandbreite von Kartonage-Kunst, die Metz zeigt, obwohl er sich in den engen Räumen des Dachauer Forums im Wesentlichen auf zweidimensionale Arbeiten beschränkt. Aus den knallig gelben, grünen und roten Verpackungskartons von Kartoffelchips, Gin, Prosecco, Kräuterlikör, Vollkorn-Spaghetti, Mozzarella, Reis und Rohrreiniger ("Power-Gel" mit Fünf-Minuten-Formel) kompiliert Metz ein großformatiges dreifarbiges Paneel. Nirgendwo sind die Verpackungen so bunt wie im deutschen Handel. Alles wird mit dem Tapeziermesser geschnitten. So entstehen mal Mosaike aus spitzwinkeligen Dreiecken ("Schnitzelbilder") in der Ästhetik der frühen Moderne, oder eine Chiquita-Banane wird so ikonisch mit Pizza-Papprahmen inszeniert, dass man sich unwillkürlich an Andy Warhols berühmtes Bananenmotiv erinnert, das auch ein Cover der Sechziger-Kultband Velvet Underground  ziert.

Andere Werke sind sehr dezent und distinguiert, wie die fein abgestimmte Farbskala aus Pappkartons. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der spielerische Charakter der Kunstwerke tritt immer wieder durch ästhetische Anleihen zutage: In einem aus vielen bunten Quadraten zusammengepuzzelten Mosaik gibt es verschiedene Formen, die aber immer exakt aus vier Flächen zusammengesetzt sind. Wer jemals dem Tetris-Fieber anheimgefallen ist, erkennt die Klötzchenformen sofort wieder. Eine andere Collage trägt den Titel "Badezimmer": Hier erinnern die bunten Pappquadrate von Spüli und Spumante an Badezimmerfliesen. Nur eine Kachel fehlt. So etwas kennt man entweder von der günstigen Altbauwohnung oder dem Schiebepuzzle aus Kindertagen, bei dem ein Teil ausgespart ist, damit man die anderen in einem Raster an die richtige Stelle schieben kann; wenn man alles richtig gemacht hat, kommt ein fertiges Bild heraus.

Nicht alles in dieser Ausstellung ist poppig bunt. "Cafe Crema" etwa beschränkt sich beispielsweise auf dezente Brauntöne. Hier kann sich das Auge etwas ausruhen. Noch reduzierter und fast schon abstrakt zeigt sich eine Arbeit aus schlichter brauner Pappe mit parallel aufgeklebten beigen Streifen aus Kreppband. Zwei Arbeiten bestehen sogar aus nichts weiter als Papprahmen, auf denen eine rätselhafte Abfolge von Zahlen gedruckt ist. Matthias Metz nennt diese Werke "Frame Codes". Die Ausstellung im Dachauer Forum geht noch bis 24. Juli.

Kunst im Forum: Arbeiten von Matthias Metz. Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten des Dachauer Forums in der Ludwig-Ganghofer-Straße 4 besichtigt werden, allerdings nur mit Mund-Nasenschutz und mit jeweils sehr begrenzter Personenzahl. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr sowie Donnerstag von 13 bis 17 Uhr.

© SZ vom 27.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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