Kunst:Der Versöhnliche

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Wolfgang Sand erweist sich in der Volksbank als ein humorvoller Kommentator des allzu Menschlichen. Dazu komponiert er seine Plastiken zu teils dadaistisch wirkenden Objekten

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hat die Menschen in zwei Kategorien eingeteilt. In die witzigen und die humorvollen. Auf die Frage, wie er die beiden Typen unterscheidet, sagte er sinngemäß: Der Witzige erhebt sich über die anderen. Der Humorvolle lacht auch über sich selbst. Bildhauer Wolfgang Sand gehört eindeutig in die zweite Kategorie. Denn in seinen skurrilen bis kuriosen Kleinplastiken entwickelt er einen typisch bayerischen Hang zum Derblecken, der Überheblichkeit oder Zynismus ausschließt. Die Volksbank Dachau zeigt den Pasinger Bildhauer mit Atelier in Haimhausen in ihrer Reihe "Kunst und Bank".

Don Quichotte ruft zur Attacke auf eine Atomkraftruine und die drei Windräder. Da darf sich der Bürger angesprochen fühlen, der beides nicht will, aber die Energiewende fordert. Als Ästhet kann Sand nur gegen beides sein, auch wenn solcher Widerstand ins Paradoxe führt. Die Irritationen der Szenerie aus zwei Reitern und einem abschüssigen Weg hebt der Bildhauer durch die Darstellung der andalusischen Landschaft auf, wie sie der Dichter Cervantes in diesem berühmten Roman als Stimmungsbild einführt. Es darf gelacht werden. Es darf auch der Kopf geschüttelt werden. Vornehmlich über sich selbst.

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Don Quichotte und Sancho Pasa bereiten sich auf eine Attacke gegen Windräder und eine Atomkraftruine vor.

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Die Freunde der Leitkultur hecheln einer Wurst nach und dem Inbegriff des deutschen Wirtschaftsbooms der Nachkriegszeit, einem VW-Käfer am Abgrund.

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Die Spitzenkraft hält sich beim Pas de Deux gerade noch so auf den Zehen.

Das Auswärtsspiel besteht aus einem Schlauchboot mit Fernsehapparat und Sat-Schüssel. Die einzelnen Fragmente führen als dadaistische Assoziationskette ins Absurde. Die Analogie zum Fußball ist sicher gewollt. Die Spitzenkraft hält sich beim Pas de Deux gerade noch so auf den Zehen. Die irreale Abstraktion der Ballerina in eine spindeldürre Figur lässt einen glücklich schätzen, nicht zu solchen Balanceakten gezwungen zu sein. Letztlich versinnbildlicht Wolfgang Sand Wortbilder zu Skulpturen. Der Radler fährt freihändig, hat sich aber einen Schwimmreif umgelegt. "Teilkasko" eben. In der Szenerie zu "deutschen Leitkultur" bewegt sich ein VW-Käfer nah an den Abgrund, während hinter ihm eine Prozession brav einer überdimensionalen Wurst folgt. Sands Botschaft lautet: So sind nicht die anderen, so sind wir alle.

In der Riege der Künstler, die in der Reihe "Kunst und Bank zu sehen waren, erweist er sich in der Bildauffassung als weniger radikal als der Dachauer Zeichner Heiko Klohn, der die Menschen in eine fatale Unfähigkeit zur Verständigung treibt. Sand verzichtet auf die formal konsequente Reduktion und Konzentration wie Annekathrin Norrmann in ihren aus der Farbfeldmalerei entstandenen Lichtkästen. Er versucht nicht wie Bildhauerkollege Albert Krottenthaler die Aussagekraft des Gegenständlichen auszuloten.

Der Leberkäs verrottet, wie die paar Cent in der Sparbüchse. (Foto: oh)

Wolfgang Sand ist ein Spieler mit Fragmenten und Symbolen, die er zusammensetzt und auf überraschende Weise verbindet. Deswegen bezeichnet ihn die Kuratorin der Volksbank, Bärbel Schäfer, auch als Erzähler mit einem gewissen Hang zum Dadaismus, wenn er ein Leberkässemmel mit einer Weltkugel in einer transparenten Spardosen-Quader kombiniert. Oder wenn er eine Waage baut, in der man selbst bestimmen kann, ob die Welt oder eine Halde aus Schrottautos schwerer ist. Jedesmal fasziniert Wolfgang Sand durch die feine handwerkliche perfekte Gestaltung der szenischen Skulptur. In dieser Melange aus Humor und Handwerk liegt die versöhnliche Kraft von Wolfgang Sands Skulpturen über das allzu Menschliche. Der Bildhauer demonstriert geradezu die Arbeit mit den Händen. Denn seine Skulpturen wirken trotz des Bronzegusses, als ob sie gerade aus dem Spiel der Finger entstehen würden. Vermutlich deswegen ist die Ausstellung auch eine der finanziell erfolgreichsten der bisherigen Kunstreihe.

Von diesen Kleinplastiken heben sich mehrere Monumentale ab. Es sind absurd anmutende Holzmaschinen, die zunächst an Jean Tinguely erinnern. Der Schweizer Künstler betrieb ein spannendes und heiteres Spiel mit Stangen, Scheiben und Rädern, die miteinander zwecklos harmonieren. Aber bei Sand blockiert die Schwerkraft des unhandlichen Holzblocks jegliche Bewegung. Ein windschiefes Füllhorn hält gerade so die Balance auf instabilen Stelzen. Auf einer Maschine mit dem Titel "Überhitzt" thront eine zerlöcherte Welt, die Räder und einzelnen Teile sind sichtbar ineinander verzahnt.

Diesen inneren Kern der Objekte überlagert Sand durch Gegenstände voller symbolischer Assoziationen. Ein Relikt erinnert an eine Leber. Die Windmaschine treibt nichts mehr an. Während in den Kleinplastiken solche Collagen humorvoll ironisch wirken, minimalisiert diese Gestaltungsform die Monumentalität des Stillstands und der Lähmung. Lustigerweise befinden sich halt ein paar Vitasprint-Fläschchen auf dem starren Monolithen. Schmunzeln muss man. Auf die Frage an Helmut Schmidt, wie er sich selbst sehen würde, sagte er, dass er eher der witzige sei, leider nicht der humorvolle.

Wolfgang Sand in der Reihe "Kunst und Bank", Volksbank Dachau, bis Freitag, 20. Oktober.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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