Kultur in Dachau:Aus Alt mach Neu

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Was Fortschritt ist, was Verfall, was bleibt und was geht, all diese Fragen wirft diese KVD-Ausstellung "Recycled" auf

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Es war ein großes Jahr für die Künstlervereinigung Dachau (KVD). Gefeiert wurde das Jubiläum zum hundertjährigen Bestehen, ein beträchtliches Alter. Für die traditionelle Jahresausstellung ließ man nun ausgerechnet die Jüngsten ran; erstmals sollten es die fünf neuesten Mitglieder der KVD sein, die sie kuratieren.

Aus dieser Gelegenheit könnte man nun natürlich eine Zukunftsvision für die nächsten Jahrzehnte basteln, man könnte Technik spielen lassen, Foto, Film, was immer in den Sinn kommt. Die Künstler haben sich für einen anderen Ansatz entschieden. Und alle Mitglieder der KVD dazu aufgerufen, ihre alten Werke hervorzuholen und ihnen eine zweite Chance zu geben. Von ihnen haben 28 etwas aus ihrem Fundus beigesteuert, ab Donnerstagabend sind sie in der Galerie der KVD ausgestellt.

Romy Karbjinsky zerschnitt Portraits für ihre Kunst. (Foto: Toni Heigl)

"Recycled" heißt das Motto - wiederverwertet. Wiederverwertete Kunst? Das klingt nach B-Ware, nach Sonderangeboten, weniger nach Neuem und Aufregenden. Doch der Ansatz der Jungmitglieder, das zeigt sich, wenn man den roten Linien an der Wand der Galerie von Kunstwerk zu Kunstwerk folgt, definiert raffinierter, da ganz nebenbei, ein gemeinsames Bild der Künstlergruppe. Wie viel sich im einzelnen Künstler verändert, seinem Duktus, seiner Sicht auf die Welt. Aus Altem schafft man Neues. Das Ungeliebte wird zum Wertvollen, das Missglückte zum Glücksfall, das Aussortierte zum Einzelstück.

So wurden alte Bilder umgestaltet, und fragen die Betrachter nun danach, diese Entwicklungen zu interpretieren. Manchmal erscheint die Umwandlung ganz natürlich, als wäre das Werk nie ein anderes gewesen. Wie bei Mette Therbild, die alte Landschaftsmalereien zerschnitten und deren Schnipsel auf Portraits eingearbeitet hatte. Das ursprüngliche Motiv, die Feldherrnhalle in München zum Beispiel, ist dann nicht mehr zu erkennen, stattdessen meint man einen Jungen in gelber Wintermütze zu identifizieren. Und dabei den (Wage)mut der Künstlerin, das Alte gänzlich zu zerstören, um etwas Neues zu schaffen.

Mette Therbild hat Landschaftsmalereien zu einer Collage verarbeitet. (Foto: Toni Heigl)

Doch das Neue kann auch irritieren, verstören. Was ist passiert mit dem Mädchen, das einst inmitten der drei leicht lächelnden Frauen stand? Auf dem ursprünglichen Gemälde hatte Margot Krottenthaler es noch dazu gemalt, im weißen Kleid, selbst unschuldig lächelnd. Und nun, ein paar Jahre später, ist an seiner Stelle ein Gewirr aus dicken, schweren Strichen, in rot und schwarz, als hätte das Mädchen dort nie gestanden. Wer das ursprüngliche Bild kennt - und das werden die Besucher, da alle ursprünglichen Werke als Fotos gezeigt werden -, wüsste gerne die Geschichte, die hinter ihm steckt. "Was bleibt?", das fragt auch Romy Karbjinsky; unten auf ihrem Werk steht das Doppeldatum 2003/2019. Es war mal eine Fotoserie, in rosarotem Licht - vier Bilder, bei jedem verschwimmt das Gesicht ein wenig mehr. Karbjinsky hat sie zerschnitten, in kleine Quadrate, und wieder zusammengefügt, mit einem Tacker. Ist das nun Fortschritt oder Verfall? "Ich lieb das Morbide, das Verfallende", sagt inmitten all dieser Werke Michael Braun, einer der neuen Mitglieder. Und einer, der der Abstraktion verfallen ist, sich von Linien und Strukturen faszinieren lässt, anstatt der bloßen Darstellung. Für seine drei Werke, die am Eingang nebeneinander hängen, hat er ein paar alte Aktzeichnungen verfremdet. "Die sind von 1987, da war ich 19", erklärt er, das sei ja schon ewig her. Der Akt einer Frau, mit einfachen, schwarzen Linien, verschwindet nun in abstrakten Formen, zum Beispiel in einer Satellitenschüssel.

Was Fortschritt ist, was Verfall, was bleibt und was geht, all diese Fragen wirft diese Ausstellung auf; sie zu beantworten bleibt dem Betrachter überlassen. Beständig bleibt nur die Veränderung, und das zeigt diese Ausstellung zum Ende diese Jubiläumsjahres.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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