Kultur:"I'll be back"

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Ein ganzes Jahr hat der amerikanische Folkmusiker Ian Fisher als Stipendiat in der Ruckteschell-Villa verbracht und dort auch Songs für sein neues Album geschrieben. Nun ist er aus Dachau in die USA zurückgekehrt - doch es soll kein Abschied für immer sein

Von Jana Rick, Dachau

"Und nun verlassen Sie Dachau?" Bei dieser Frage muss Ian Fisher lachen. Für den Ruckteschell-Stipendiaten ist am Donnerstag sein einjähriger Aufenthalt in Dachau zu Ende gegangen. Doch eine Stadt zu verlassen, das ist für den 30-jährigen Musiker fast schon Alltag. Auf einer Farm in Missouri aufgewachsen, kam Fisher zum Studium nach Wien, dann lebte er einige Zeit in Berlin, um anschließend auf Tour nach Italien, in die Niederlande und durch Deutschland zu gehen. "I leave a lot", sagt der gebürtige US-Amerikaner am Tag seines Abschieds in Dachau. Am nächsten Tag schon wird sein Flug nach Missouri abheben. Dort feiert er mit seiner Familie Weihnachten, dort wird er mit ihnen auch den Januar verbringen.

Im Rückblick sagt Fisher, dass ihm das Stipendium der Stadt Dachau vor allem die Freiheit gegeben habe, ohne Ablenkung Lieder zu schreiben. Der Musiker nahm sich die Zeit, über vieles nachzudenken, was ihn und die Welt um sich herum gerade beschäftigt. So entstand auch sein neues Album "Idle Hands" (Untätige Hände), das nächstes Jahr erscheinen wird. Den Titelsong schrieb er in Dachau, Ian Fisher betont allerdings, dass die Stadt nichts mit dem Inhalt zu tun habe. In dem neuen Album behandelt er politische und wirtschaftliche Themen, die er immer mit persönlichen Erfahrungen verbindet. Ian Fisher singt vom Kapitalismus, von wirtschaftlichen Klassen. Der postindustrielle Kapitalismus mit seinem materialistischen Denken lasse viele Menschen oft vernachlässigt und hilflos zurück. Auch darum geht es in seinem neuen Album: um die Abgehängten, um die Ungleichheit. Das Stipendium erlaubte ihm, in Ruhe über all diese Dinge nachzudenken und sie in eine musikalische Form zu bringen.

Viele Dachauer konnten den sympathischen Folkmusiker auch im Laufe des Jahres live auf der Bühne erleben und sich von seiner wandelbaren Stimme und seiner Gitarrenmusik überzeugen lassen. Fisher trat in der Kulturschranne und im Café Gramsci auf, auch bei einem Konzert des diesjährigen "Dachauer Musiksommers" begeisterte er das Publikum. Der kosmopolitische Musiker zeigt, dass Country Musik keineswegs an ein Land oder eine Stadt gebunden ist, wie das konservative Vertreter dieses Genres manchmal gerne suggerieren.

In den vergangenen zwölf Monaten war für Fisher selbst vor allem der vom ihm geleitete Singer-Songwriter-Workshop in Bergkirchen ein besonderes Erlebnis: Zum ersten Mal gab der Musiker Unterricht und erklärte den Teilnehmern, wie man selbst Lieder schreibt und komponiert. "Jeder kann einen Song schreiben. Man muss sich nur hinsetzen und damit anfangen", sagt Fisher und motivierte seine Schüler dazu entsprechend im Workshop. Er gab ihnen Ideen und Tipps, doch die Songs schrieben am Ende alle Teilnehmer selbst. "Ich war sehr stolz auf sie", sagt der erfahrene Singer-Songwriter.

Singer-Songwriter Ian Fisher bei einem Konzert im Café Gramsci in der Dachauer Altstadt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Doch Fisher nahm sich während seines Stipendiums nicht nur Zeit zum Musizieren. Als neugieriger Vielreisender stand jede Woche etwas Neues für ihn auf dem Plan. Er besuchte ein Fußballspiel in der Allianz-Arena und natürlich auch das Münchner Oktoberfest. Im Sommer radelte er gerne zum Karlsfelder See oder nach Petershausen. Sein Lieblingsplatz in Dachau ist oben beim Schloss. "Ich liebe den Ausblick auf die Alpen und die Skyline von München", schwärmt er. Die Bayern empfinde er als die freundlichsten Gastgeber in ganz Deutschland, er habe sich immer sehr wohl in Dachau gefühlt. Deswegen ist für ihn ganz klar: "I'll be back" - er wird zurückkommen nach Dachau. Ein richtiger Abschied ist es für ihn also nicht.

Nächstes Jahr im Februar wird er im "Ampere" in München ein Konzert geben und bestimmt auch einen Abstecher nach Dachau machen. Im März tritt er dann in Köln und Hamburg auf und auch in Italien wird er im Frühjahr wieder Konzerte geben. Nur für den April hat Fisher noch keine konkreten Pläne. "Dann werde ich sehen, was ich mit meinem Leben weiter anfange", sagt der 30-Jährige. Aber eines steht auf jeden Fall schon fest: Er wird Musik machen. Die Frage ist nur, wo.

Nach Ian Fisher wird die Kanadierin Brigitte Briga Dajczer, Künstlername Briga, in die Ruckteschell-Villa einziehen. Briga hat schon einige Male in Dachau gespielt, zuletzt ist sie mit Geoff Berner im Café Gramsci aufgetreten. "Die Leute docken hier schnell an", sagt Dachaus Kulturamtsleiter Tobias Schneider. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass die Stipendien über persönliche Kontakte zustande kommen, vermittelt von örtlichen Konzertveranstaltern. Das ist "niederschwellig", wie der Kulturamtsleiter sagt, unbürokratisch und am Ende finden sich offenbar immer die Richtigen: "Es war bisher immer eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit."

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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