Kultur Dachau:Was heißt hier Krise?

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Neun junge Künstler aus Dachau, München und Augsburg präsentieren in der KVD-Galerie Anti-Spaß-Kunst.

Sophie Burfeind

Eine abfallende Dax-Kurve und die Warnung "Betreten auf eigene Gefahr, danke" empfangen den Besucher. Zwischen zwei Säulen eingeklemmt eine entwurzelte Pflanze, Bilder toter Tauben an den Wänden, zweckentfremdete, bemalte Fundstücke im Raum verteilt, auf einem Video ein bunt leuchtender Jahrmarkt in Griechenland - ohne Gäste. Apokalyptisch-verstörend ist die Atmosphäre in der Ausstellung "Perma-Antifun - Wiederkehrende Depressionen" in der KVD-Galerie. Ein experimentelles Schau-Labor künstlerischer Produktion, in dem sich neun junge Künstler aus Dachau, München und Augsburg mit dem Thema Krise und Depression auseinandersetzen. "Antifun" - weil es um eine spaßfixierte, aber gleichzeitig depressive Gesellschaft geht, die in der Krise steckt.

Gebrauchsgegenstände werden zu Kunstobjekten: Der Dachauer Künstler Johannes Karl übergießt ein ausrangiertes Gerät mit gelber Farbe. (Foto: DAH)

Nach der Ausstellung "Antifun in der Depression des Fürstentums" in den Kunstarkaden in München im Dezember 2010 zieht das Künstlerkollektiv nun in die KVD-Galerie der Kulturschranne in Dachau ein. "Wir haben eine gemeinsame Haltung zum Thema Krise und Depression entwickelt, die wir als Gruppe vertreten", versucht der Dachauer Künstler Johannes Karl das Projekt zu erklären. Daher sind die Exponate und Installationen der "kollektiven Versuchsanordnung" nicht mit Namen versehen. Krise, Katastrophe, Konsum, Kapitalismus, Kunst, Kultur, Kritik - die Vielfalt der Anti-Spaß-Kunst ist nur schwer zu greifen. Mit einer konkreten Fragestellung haben sich die Künstler Nana Dix, Fabian Hesse, Stephan Janitzky, Johannes Karl, Martin Krejci, Daniel Müller, Paula Pongratz, Achim Sauter und Carolin Wenzel jedoch befasst: "Wie arbeiten Künstler zu Zeiten einer Finanzkrise?" Die Antwort: mit gefundenen Gegenständen, Müllmaterialien oder Dingen, die wenig Lagerraum benötigen.

Antifun" meint darüber hinaus ein generelles Hinterfragen des kapitalistischen Systems und der Konsumgesellschaft. Auch des Begriffs der Krise, der, wie Norbert Blüm schrieb, "geradezu zum Lieblingswort der Zeit geworden" sei und "wie die Hostie einer Pseudoreligion" gebraucht würde. "Alle reden von einer Wirtschaftskrise, aber wir spüren sie nicht wirklich", sagt Achim Sauter. Die Leute hätten weiterhin Spaß, für einige bedeute Krise maximaler Profit - könne so eine Krise eine Krise sein?

Auch geht es den hauptberuflichen Künstlern um eine Reflexion der eigenen Situation. In vielen Kommunen werde die Kunstförderung gekürzt, weshalb Künstler finanziell immer stärker auf Unterstützung von Unternehmen angewiesen seien. Dabei solle Kunst doch unkommerziell bleiben: "Man soll Kunst machen, um eine Haltung zum Ausdruck zu bringen und nicht, um damit Geld zu verdienen", sagt Sauter. Doch die Kommerzialisierung des Kunst- und Kulturbetriebs sei in den vergangenen Jahren extrem fortschritten. Der kommerziellen Kunst setzen die Künstler daher eine Ausstellung entgegen, in der genau das - noch viel mehr - und gängige Werte wie Karrierestreben infrage gestellt werden. "Die entstandene Anti-Spaß-Kunst ist weder leicht zugänglich noch unmittelbar gefällig. Doch bildet sie ein Panoptikum der Krise ab, das tiefer greift, als bunte Collagenoberflächen vermuten lassen", schrieb die SZ über die Ausstellung der Gruppe vor zwei Jahren in München. Auch auf die "wiederkehrenden Depressionen" in Dachau trifft das zu: Der Besucher wird mit einem "no-future"-Lebensgefühl konfrontiert, mit apokalyptischen Zukunftsvisionen, mit Dekonstruktion, Verweigerung, aber auch mit möglichen Alternativen. Ihm bleibt nur eines: Die experimentelle Raum- und Geräuschkulisse auf sich wirken zu lassen, innezuhalten, nachzudenken und zu verstehen.

Vernissage ist am Donnerstag, 8. März, um 19.30 Uhr. Ausstellungsdauer bis 25. März; am Sonntag, 18. März, tritt um 19.30 Uhr die Band Antifun Arkestra auf.

© SZ vom 08.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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