Kultur Dachau:Hoffnung auf eine neue Ära

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Wenn es nach Dachaus Oberbürgermeister Bürgel geht, bleibt die Neue Galerie noch Jahrzehnte im ehemaligen Café Flori - künstlerisch hat bereits eine neue Zeitrechnung begonnen.

Wolfgang Eitler

Ja, das Flori-Café. Dachaus Bürgermeisterin Gertrud Schmidt-Podolsky erinnert sich gerne an die sechziger Jahre, als sie sich unerlaubt in dieser Lokalität in der Altstadt zum Rock'n-Roll-Tanzen aufhielt. 14 Jahre war sie damals. Also ziemlich jung. Die Dritte Bürgermeisterin lacht selig, was vermuten lässt, dass die eine oder andere Ungehorsamkeit gegenüber den Eltern dem Lebensgefühl eher förderlich denn abträglich ist. CSU-Stadtrat Erwin Zehrer, der bei der Konkurrenz gegenüber, im nicht mehr existierenden Hacker-Café seine zweite Heimat fand und dort auch mit seiner ersten Rock'-Roll-Band auftrat, gerät ebenfalls leicht ins Schwärmen.

Früher befand sich das legendäre Café Flori in der heutigen Konrad-Adenauer-Straße 20. Dort wurde Rock'n-Roll getanzt. Es war auch ein Lieblingslokal der in Dachau einst stationierten US-Streitkräfte. (Foto: © joergensen.com)

Ja, die gute alte Zeit. Jetzt ist eine neue Ära der zeitgenössischen Kunst in eben diesen Räumen des denkwürdigen Cafés Flori offiziell verkündet worden. Denn die kommunale Neue Galerie ist dort eingezogen, nachdem die wechselvolle Geschichte des Altstadtanwesens in einem Leerstand endete, den die Kultur ausfüllen will. An diesen Räumlichkeiten mit ihrem wunderbaren Blick vom Altstadtberg hinab auf die Münchner Ebene und die Alpen im Hintergrund ließe sich die Dachauer Altstadt-Geschichte erzählen: von der legendären Schwarz-Fernblick-Veranda in den zwanziger Jahren mit einem Bräustüberl samt Alpenpanorama über den Einzug des Ernährungs- und Wirtschaftsamts nach dem Zweiten Weltkrieg für Lebensmittelkarten bis eben zum Café Flori und schließlich einem Reitsportgeschäft. Der junge Zehrer und spätere Kreisbandmeister erlebte den großen Brand des Cafés. "Damals befand sich unsere Feuerwehrhaus noch in der Schranne." In dem heutigen Dachauer Kulturzentrum mit Gastronomie, Galerie der Künstlervereinigung Dachau und Musikbühne.

Die Verpächter des ehemaligen Café Flori sind auf jeden Fall trotz der erforderlichen Investitionen ziemlich stolz und vermutlich auch erleichtert, dass mit dem Zweckverband Dachauer Museen und Galerien ein sicherer Mieter eingezogen ist. Nachbarin und Bündnis-Stadträtin Sabine Geißler hat die Eröffnung erst ermöglicht, indem sie den wegen des Brandschutzes notwendigen Fluchtweg über ihr Anwesen führen lässt. Sie wirkte auf der Vernissage fast ausgelassen. Dieses Gefühl teilte sie mit Florentine Kramer, die zwei historische Dokumente bei der Dachauer SZ vorbeibrachte, die das Café Flori und das Bräustüberl der Schwarzberg-Veranda zeigen. Und ihr Bruder Florian Kramer lächelte während der Rede des Oberbürgermeisters.

Normalerweise zählt die Selbstdarstellung nicht zu den bevorzugten Handlungsweisen von Peter Bürgel (CSU). Aber am Donnerstagabend wollte er deutlich hervorheben, wer für diesen Umzug der Neuen Galerie aus der Brunngartenstraße unten am Schlossberg über eine kurze Phase als mobile Galerie in die neuen Räume verantwortlich ist. Auf der Vernissage sagte er: "Ich freue mich, dass es mir gelungen ist, die politischen Entscheidungsträger des Zweckverbands Dachauer Museen und Galerien von meiner Idee zu überzeugen, dauerhaft die Räume anzumieten, um den Betrieb der Neuen Galerie in der Altstadt wieder aufzunehmen." Er hofft: "Auf viele Jahrzehnte."

Künstlerisch betrachtet hat die neue Ära bereits begonnen. Allerdings fehlte noch der Zuspruch der Zuschauer. Der war überschaubar, was wohl auch Biergartenwetter gelegen haben dürfte. Leiterin Elisabeth Boser, Geschäftsführerin des Zweckverbands, hat gemeinsam mit der freischaffenden Kuratorin Marietta Schürholz und Sprecherin Jutta Mannes ein neues Konzept erarbeitet, das die Ausstellungen zum thematischen Schwerpunkten ordnet. Sie wollen dabei die Chance ergreifen, als kommunale Galerie eben nicht nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeiten zu müssen. Der erste Schwerpunkt "Im Schatten der Gewalt" ergab sich für OB Bürgel aus der Geschichte der Stadt Dachau.

Kuratorin Mariette Schürholz schloss schließlich den großen inhaltlichen Bogen über die acht Videos, die aus dem Fundus des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe stammen. Sie sagte, dass es allen Künstlern - von Marina Abramovic bis Christoph Brech - "um einen mitfühlenden Blick auf die Welt" geht. Übrigens ist im Galerieraum der KZ-Gedenkstätte zurzeit eine Ausstellung des ehemaligen slowenischen Häftlings Vlasto Kopac zu sehen. Seine Zeichnungen sind sozusagen im Auge der Gewalt entstanden.

© SZ vom 12.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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