Künstlervereinigung Dachau:Machtvoller Auftritt der Farbe

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In der KVD-Mitgliederausstellung ragen Trommeter-Szabó, Maria Detloff oder Romy Karbjinski heraus. Bei vielen anderen kommt der Verdacht auf, dass sie das Thema "Bunt" zur Beliebigkeit verleitet hat.

Bärbel Schäfer

Dachau Kulturschranne KVD Galerie Mitgliederausstellung Inge Jacobsen npj / Foto Jørgensen (Foto: © joergensen.com)

- Bei Tag ist es eine Raffinerie mit hohen Entlüftungsschloten, einem Gewirr aus Rohrleitungen und silbern strahlenden Tanks. Nachts blinkt und leuchtet, funkelt und schimmert der Industriekoloss an der A 9 wie eine futuristische Stadt in einem fremden Universum. Barbara Trommeter und Georg Szabo halten diese faszinierende Metamorphose einer Industrielandschaft in ihren Fotos fest.

In der Mitgliederausstellung der KVD in der Kulturschranne gehören die Arbeiten des Fotografenpaares, das in der Nachfolge der Düsseldorfer Schule von Bernd und Hilla Becher steht, zu den aussagekräftigsten Beiträgen. Trommeter-Szabó beschäftigen sich mit Fragen der Wahrnehmung in unserem täglichen Umfeld, mit artifiziellen Welten und real existierenden Parallelwelten. Da gibt es noch etwas: Der Raffinerie hätte nach der Insolvenz ihres europäischen Betreibers fast die Schließung gedroht, sie wurde 2007 nach China verkauft und kürzlich von einem russischen Ölhandelskonzern übernommen. 400 Arbeitsplätze konnten somit gerettet werden. Insofern treffen die beiden Künstler mit ihrem machtvollen Auftritt der Farbe präzise die Themenstellung der diesjährigen Mitgliederausstellung. Bei der Mehrheit hat die weitläufig auslegbare thematische Vorgabe zur Beliebigkeit verleitet.

Denn die Bezeichnung "Bunt" gibt es in der Kunst nicht, jedenfalls nicht in der ernst zunehmenden. Allenfalls spricht man von einer Buntwirkung, und auch nur dann, wenn es um die Abgrenzung der Farben zum neutralen Grau und den Nichtfarben Schwarz und Weiß geht. Im Bereich der Kunst ist das Adjektiv "bunt" mindestens genauso vernichtend wie dekorativ. Dass ausgerechnet die KVD ihre Mitgliederausstellung mit "Bunt" betitelt, kann, da es sich ausnahmslos um professionelle Künstler handelt, also nur eine inhaltliche Bedeutung haben und selbst unter diesem Aspekt ist das Thema kaum eingrenzbar.

Bunt ist alles und nichts. Das bestätigt auch der erste Eindruck, wenn man die Galerie in der Kulturschranne betritt. Von überbordenden, lauten Farben keine Spur, vielmehr herrscht ein beruhigter Gesamtklang, der - um es vorsichtig auszudrücken - wahllos wirkt und gerne eine etwas akzentuiertere Farbigkeit vertragen würde. Spielerisches, kindlich unbeschwertes und deshalb Buntes findet man nicht. Manche Arbeit wirkt nicht nur blass, sondern sogar kraftlos.

Das Thema wurde gewählt, um den Mitgliedern Freiheit zu lassen und eine Abgrenzung zu Thema "Weiß" im vergangenen Jahr zu bieten, teilte Johannes Karl stellvertretend für die KVD-Vorsitzende Monika Siebmanns auf der Vernissage mit. 23 Künstlerinnen und Künstler präsentieren also mehr oder weniger bunte Arbeiten in den verschiedenen Techniken der Malerei, Grafik, Bildhauerei, Fotografie und Keramik.

Hervorstechend ist Maria Detloffs Bild in "Schwarz-rot-gold", nicht nur, weil es gut gemalt ist, sondern auch, weil es eine eindeutige Botschaft hat. "Deutschland ist bunt", sagt die Malerin, womit sie die Kampagne für mehr Toleranz und gegen Rechtsextremismus und braune Gewalt meint.

Detloffs Landschaft ist ein politisches Bild mit einem weizenfarbenen Feld aus wild zerfahrenen Pinselstrichen. Es liegt unter dem schmalen Band des blutroten Himmels und wird von schwarzen Bäumen gesäumt - apokalyptisch. Im Vordergrund ist eine zarte Zeichnung aus echtem Blattgold zu sehen: Stacheldraht, vor dem sich zwei menschliche Köpfe in gegenläufiger Richtung überschneiden. Politischen Hintergrund haben auch Wolfgang Sands "Opferstätten" aus teilweise bemalter Bronze mit farbigen Flecken. Der Bildhauer verknüpft skulptural dargestellte Situationen nach Bombenattentaten in Gaza und Tel Aviv mit den unversehrten bronzenen Körpern von Mann und Frau. Ein sehenswerter Beitrag stammt von Romy Karbjinski. Die Fotografin reist gerne und hat ihre Eindrücke aus Indien, Lissabon, Frankreich und vom Gardasee im Jahr 2012 gesammelt - und wenn es nur ein toter Vogel am Straßenrand ist - und in einem Multipicture-Tableau zusammengefasst. Das Meer aus Bildern und Farben lässt den Betrachter lesen und staunen wie in einem Tagebuch. Malerei im Farbenspiel der lyrischen Abstraktion bietet John Dorer.

Inge Jakobsens Bilder sind die farbigsten. Die aus Dänemark stammende Malerin hat ihre konstruktivistischen, auf Fragen der Balance angelegten Kompositionen verlassen und widmet sich der weiblichen Figur. Sie übersetzte zwei Venus-Motive von Tizian und Velazquez, in kubistische Formen und leuchtendes Gelb, grelles Rot und Blau. Wie ein Protest wirkt Klaus Herbrichs scheckiger Hund. Der Dachauer Bildhauer spürt in seinen Skulpturen normalerweise dem Feuer und Leben im Naturmaterial Stein nach und geht seinem Wesen auf den Grund. Offenkundig macht er sich mit dem Ready Made über das Thema lustig. Der lebensgroße Chihuahua ist aus Plastik, made in Mexico und wurde von Klaus Herbrich angemalt. Immerhin sitzt der Bunt-Protest auf einer polierten Granitfliese.

Freilich gibt es auch die totalen Farb-Verweigerer wie Birgitt Wolny mit ihrer schwarzen "Wassermangel"-Anordnung. Trommeter-Szabó sind da viel subtiler. "Black Ants" ist das Foto von großen schwarzen Kunststoffameisen aus einer bedrohlichen Installation zu Kommunikationsstrategien. "Themen werden mit Gegenthemen beantwortet", sagt Georg Szabo. Aber Ameisen schillern manchmal auch bunt.

Die Mitgliederausstellung der KVD in ihrer Galerie in der Kulturschranne in Dachau ist bis Sonntag, 30. Dezember, in der Kulturschranne zu sehen. Am 25./26. Dezember ist die Galerie geschlossen.

© SZ vom 10.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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