Kritik an Baubranche:Verlorene Lebenszeit

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Viele Bauarbeiter müssen lange Pendelstrecken in Kauf nehmen

Sie sitzen morgens um sechs im Auto und sind oft erst abends um acht zu Hause: Ein Großteil der rund 1600 Bauarbeiter im Landkreis Dachau nimmt enorme Pendelstrecken in Kauf - ohne die Zeit für die Fahrerei bezahlt zu bekommen. Darauf weist die Gewerkschaft IG Bau hin. "Bauarbeiter zählen zu den Rekord-Pendlern in der Region. Um zur Baustelle zu kommen, haben sie nicht nur besonders weite Wege. Die Einsatzorte ändern sich auch ständig. Darunter leiden Familie, Freunde und Freizeit", sagt Michael Müller, Bezirksvorsitzender der IG Bau Oberbayern. Erstmals soll es nun eine Entschädigung der sogenannten Wegezeiten am Bau geben. Das fordert die Gewerkschaft in der laufenden Tarifrunde, die am 25. Juni in Wiesbaden fortgesetzt wird.

Nach einer aktuellen Untersuchung des Pestel-Instituts legen Bauarbeiter in Deutschland im Schnitt 64 Kilometer für die einfache Strecke zur Arbeit zurück. In der repräsentativen Umfrage unter 4800 Bau-Beschäftigten gab jeder Vierte an, mehr als eine Stunde zur Einsatzstelle unterwegs zu sein - plus Rückfahrt. Zum Vergleich: Unter allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betrifft das nur fünf Prozent.

IG Bau-Bezirkschef Michael Müller spricht von "verlorener Lebenszeit" und fordert die Baufirmen dazu auf, den Einsatz ihrer Mitarbeiter anzuerkennen. "Mobiles Arbeiten gehört natürlich zum Bau dazu. Es wird immer woanders gebaut. Aber dann müssen Bauarbeiter für die Fahrerei immerhin eine Entschädigung bekommen - entweder durch Geld oder Zeit-Guthaben", so der Gewerkschafter. Damit könne die Bauwirtschaft auch einen wichtigen Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten. "Berufsstarter überlegen sich dreimal, ob sie in einer Branche anfangen, in der sie mehr Zeit im Bulli als zu Hause verbringen."

© SZ vom 16.06.2020 / sz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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