Konzert und Kabarett:Eine Mischung aus Engel, Nikolaus und Deifi

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Mit Heiligenschein und weißer Feerboa singen und sprechen Ruth Kirchner, Julia von Miller und Ricarda Kinnen - alias die "Jingle-Pearls"- über Dinge wie das "Hochstapler-Kalbsgulasch", spanische Männer und Weihnachtseinkäufe, sowie über den Karpfenfischer. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Jingle-Pearls begeistern ihr Publikum in Haimhausen mit berührenden Liedern, aber auch mit augenzwinkernder Unterhaltung. Dabei sind die Kommentare manchmal so stechend wie kleine Tannennadeln

Von Petra Neumaier, Haimhausen

Die Dame an der Kasse lächelt mitleidig. Einen Sitzplatz gibt es nicht mehr. Und sogar für die Stehenden wird es am Samstagabend eng in der ausverkauften Haimhausener Kulturkneipe - obwohl doch der Heilige Abend quasi vor der Tür steht. Vorstand Marja-Leena Varpio vom örtlichen Kulturkreis strahlt: "Wenn zum Abschluss des 34. Kulturjahres mit den ,Jingle Bells' solch fulminante Künstlerinnen auf der Bühne stehen, bleibt halt keiner freiwillig zu Hause auf dem Sofa." Und zum Schluss des Konzerts saß sowieso niemand mehr auf seinem Stuhl.

Bereits 2016 begeisterte Julia von Miller mit ihren Chansons in der Kulturkreiskneipe. Damals vor einem "erlesenen", sprich sehr übersichtlichen Publikum. Marja-Leena Varpio zuckt mit den Schultern. Warum so wenige kamen, das war ihr damals schon ein Rätsel. Denn die virtuose Sängerin füllt sonst Säle. Krumm genommen hat jene den damaligen Abend aber nicht. Zum Glück für alle, die sie vor zwei Jahren verpasst haben.

Denn "Jingle Pearls", das sind neben Julia von Miller die Sängerinnen Ricarda Kinnen und Ruth Kirchner sowie die grandiose Pianistin Beatrice Kahl. Zusammen treten sie seit 15 Jahren auf und sind einfach großartig. Jede Künstlerin für sich ist schon eine Augen- und Ohrenweide. Eine jede hat ihren eigenen Stil, der trotzdem mit dem der anderen perfekt harmoniert. In ihrer Weihnachtsshow, einem "Best Of" der schönsten und berührendsten Lieder, finden sie zudem eine Mischung aus Unterhaltung, Augenzwinkern und Besinnung.

Knallrot sind ihre eleganten Abendkleider mit weißer Federboa. Und mit dem Heiligenschein auf dem Kopf erscheinen sie als eine Mischung aus Engel, Nikolaus und "Deifi". Kaum auf der Bühne, startet Julia von Miller auch gleich: mit einem leicht umgetexteten "Fever" auf Weihnachten. Klein wie Tannennadeln und ebenso piksend sind ihre Texte und die Moderation. Da geht es um das große "Weihnachtsfressen", wie dem Hochstapler-Kalbsgulasch nach einem Rezept vom Spiegel ("mal schauen ob die Zutaten da auch erfunden sind") und eine Hommage an die Butter, sprich "Budda", die auch gleich in einem weiteren Lied besungen wird - während gut gefüllte Dosen mit Lebkuchen und Spekulatius durch die Reihen gereicht werden.

Dann wieder "White Christmas" bevor eine kleine Weltreise beginnt. Ruth Kirchner erteilt als Spanierin den Haimhausener Frauen eine Lektion in: Wie bringen spanische Frauen ihren Mann dazu, die Geschenke zu kaufen? Herrlich - nur muss die Umsetzung wohl im nächsten Jahr erfolgen, denn im Saal hatten alle schon die Geschenke beieinander. Ricarda Kinnen führt als Französin zum "Karpfenfischer" (alias "Capri-Fischer") von Julia von Miller - hier singt das Publikum schon lauthals den karpfenfreundlichen Text mit.

Nach der Pause geht es zunächst überraschend ernst weiter: Zu viert - die Pianistin hat ihr Klavier verlassen - singen die Künstlerinnen wunderschön "Es ist ein Ros entsprungen", um in die USA zu springen. Es wirkt fast wie ein kleiner Kulturschock. Ins "Deko-Winter-Wonder-Land", wo 500 Meter lange Lichterketten um alles und jeden gewickelt werden, um "America bright again" zu machen. Mit dem Publikum reist daraufhin Julia von Miller in die Anden und besingt mit ihm auch noch gleich in russischem Akzent die "Babicka".

Ein gesungenes Plädoyer auf Ruhe und Gelassenheit an den Supermarktkassen und auf der Straße schließt sich an: die "Rhapsodie in Blue" und ein Rock`n`Roll. Es geht nach Afrika, es fällt kein "Snow auf die Town", es wackeln die Hüften und zu "Felize Navidad" wird gesummt. Es wird gelacht, es wird gedacht und manch einer wischt sich auch die eine oder andere Träne bei der allerletzten Zugabe, dem "Aber heidschi bumbeidschi" aus dem Augenwinkel.

"Toll war das", sprechen viele Stimmen auf dem Weg nach Draußen in die kühle Winternacht. Und Marja-Leena Varpio wirkt sehr zufrieden. 2019 feiert der Verein sein Jubiläum zum 35-jährigen Bestehen. Eine ganze Reihe von hochkarätigen Veranstaltungen, die ebenfalls ein so großes und begeistertes Publikum verdienen, stehen schon auf dem Programm. Aber jetzt ist erst einmal Zeit über die Feiertage - Zeit zum Verschnaufen. Marja-Leena Varpio hat diese Zeit und Ruhe jedoch kaum: Am 12. Januar ist das große Jubiläums- und Neujahrskonzert im Auditorium der Bavarian International School im Schloss Haimhausen. Das Westböhmische Symphonieorchester, sowie der Chor und vier Solisten, darunter auch Varpio (Sopran) werden auftreten. Den Chor leitet übrigens die Sopranistin selbst. Wer dabei sein will, sollte sich rechtzeitig Plätze reservieren, empfiehlt Varpio.

© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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