Konzert in der Kulturschranne:Jazz mit Brummtopf

Lesezeit: 2 min

Ellery Eskelin am Saxofon, Christian Weber am Kontrabass und Michael Griener am Schlagzeug. (Foto: Toni Heigl)

Das Trio "Eskelin/Weber/Griener" hat einen Bildungsauftrag

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Auf gewisse Weise ist der Auftritt des Trios Eskelin/Weber/Griener beim Dachauer Jazz e. V. in der Kulturschranne fast unscheinbar. Und doch ist es ein Konzert, das denen, die es erlebten, in Erinnerung bleiben dürfte. Solche musikalisch-stilistischen Verbindungen hat man dort noch nie gehört: Mit Hingabe spannen die drei aus Amerika, der Schweiz und Deutschland stammenden Musiker (Ellery Eskelin am Saxofon, Christian Weber am Kontrabass, Michael Griener am Schlagzeug) modernen Freejazz und elementare Jazzmusik aus der Urzeit zusammen. Nicht nur Swing, das schon auch, nein, sie greifen musikgeschichtlich noch weiter zurück, etwa zum "Shreveport Stomp" von Jelly Roll Morton. In Begriffen der klassischen Kunstmusik wäre das irgendwo um die Monteverdi-Zeit herum.

In der Tat braucht es eine Weile, um sich in die Stilistik dieses Trios einzufinden, denn die Darbietung wirkt zunächst keineswegs so expressiv, wie Konzerte beim Jazz e. V. häufig gestaltet sind. Die Musiker spielen hoch konzentriert, sie spielen leise, ohne jegliche elektrische Klangverstärkung - sogar beim Kontrabass. Der Klang ist auf diese Weise in seiner Direktheit beinahe trocken und die Gesamtwirkung aus Klang und maximal reduzierter Darstellungsweise der Musiker fast reserviert. Doch dieser erste Eindruck täuscht. Hat man sich an das grundsätzliche Klangbild gewöhnt, offenbart sich die Schönheit, die diese Spielweise ausstrahlt. Die alten Nummern schlendern tiefenentspannt daher. Ein sanfter, reduzierter Schlagzeugbeat mit schön swingendem Becken, ein Walkingbass, der, obwohl leise gespielt, mit wunderbar homogener Prägnanz voranschreitet. Das ergibt ein ideal abgewogenes, geradezu filigranes Fundament, auf dem sich die versonnenen Melodielinien des Saxofons bestens entfalten können.

Diese Ruhe der musikalisch-dramaturgischen Entwicklung zeichnet auch den Freejazz dieses Trios aus. Er äußert sich nicht in schreienden Eruptionen, sondern in meist dezenten, weitgespannten Klangkulissen. Die Spielarten sind dabei vielfältig, wie es das Stammpublikum des Jazz e. V. gewohnt ist: flirrend gestrichene Basssaiten, dann wieder perkussiv hart gezupft, eine Schlagzeugbehandlung, die weniger den rhythmischen Puls als vielmehr in sich fein bewegte Klangflächen in den Vordergrund stellt, dazu ein bis zum sanften Hauchen reduziertes Saxofon.

Plötzlich aber erschaffen Weber und Griener einen kraftvollen Bordun. Weber nimmt dazu natürlich den Streicherbogen, Griener setzt einen Stick fest auf dem Trommelfell auf und reibt ihn mit den Händen - eine Trommel als Brummtopf. Als dieser Bordun fest etabliert ist, beginnt Eskelin mit einer herrlichen Melodie. In seiner innigen Ausdruckskraft ist das sicherlich einer der stärksten Momente eines Abends, der nicht nur Konzerterlebnis ist, sondern durch die Verbindung von alter und neuer Musik auch einen jazzgeschichtlichen Bildungsauftrag formuliert und umgehend einlöst. Zu Ende ginge das Konzert eigentlich mit dem Standard "Ain't Misbehavin'" - reichten die Musiker als vehement geforderte Zugabe nicht mit einem herrlichen "Bei Mir Bistu Shein" noch die wohl einzige wirkliche Up-Tempo-Interpretation des Abends nach. Zum bisherigen Gesamteindruck ist das, nicht zuletzt durch die treibende Virtuosität der hier gespielten Soli, eine gute Ergänzung.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: