Ob in Kunst, Musik oder Literatur - Heimat erlebt derzeit eine Renaissance als Gegenentwicklung zur Globalisierung. Man singt wieder gerne deutsch. Die eigene Sprache eignet sich sogar für aktuelle Liedtexte. Auch muss man seine Mundart nicht länger verbergen, denn als vertrauter Klang im Ohr bedeutet sie ein Stück Heimat. Die Liebe zu ihrer Heimat und zu traditionellem Liedgut hat auch vier Musiker aus Thüringen zusammengebracht. Mit ihrem Programm "Songs of Heimat" trat die Folkband Hüsch! aus Mitteldeutschland am Samstagabend auf der Kleinkunstbühne Leierkasten im Gemeindesaal der Friedenskirche auf.
Die Formation besteht seit 2013, gekannt und in losen Gruppierungen zusammen gespielt haben Hanna Flock (Gesang, Klavier), Nico Schneider (Gitarre, Banjo, Gesang), Joachim Rosenbrück (Geige, Mandoline) und Tim Liebert (Flöte, Harmonika, Gesang) bereits davor. Was die Vier indes zur Gründung ihrer Band veranlasst hat, war die Wiederentdeckung eines fast vergessenen Instruments, der Thüringer Waldzither. Für das alle zwei Jahre stattfindende "Waldzithersymposium" taten sich die Musiker zusammen, um den Besuchern die Vielfalt und Eigenarten dieses Instruments zu zeigen. Die Resonanz des Publikums war derart überwältigend, weshalb man den Auftritt auch als die Geburtsstunde dieser Folkband bezeichnen kann. Übrigens verweist das Wort hüsch im Thüringer Sprachraum auf etwas von besonderer Güte.
Musikalischer Dreh- und Angelpunkt von Hüsch! ist nach wie vor die Waldzither. Dieses Instrument scheint für die Vier eine unerschöpfliche Quelle für ihre Arrangements zu sein. Die Waldzither ist ein Zupfinstrument aus der Familie der Cistern, die in Thüringen eine rund 400-jährige Tradition haben. Sie ist trotz ihres Namens keine Zither, sondern gehört zu den Kastenhalslauten, verwandt mit Mandoline, Banjo und Irish Bouzouki. Die Cister gilt als das Instrument des Mittelalters und der Renaissance, das später beinahe in Vergessenheit geraten war. Durch die Jugendbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Instrument wieder entdeckt und als Waldzither in der deutschen Volksmusik populär. Außer der Folkmusik lassen sich ebenso gut Pop-Blues- und Rock-Songs interpretieren. Im Dachauer Leierkasten lieferten die Thüringer Musiker hierfür den eindrucksvollen Beweis.
Nicht überhörbar ist der ganz eigene Stil, den die Musiker bei der Umsetzung des alten Liedguts gefunden haben. Die zumeist von Tim Liebert und Jo Rosenbrück arrangierten Musikstücke zeigen viel musikalisches Feingefühl und Sensibilität. Dank der wunderschönen Stimme von Hanna Flock, den ausdrucksvollen Pianomotiven, den Blues- und Jazzelementen mit Banjo, Harmonika, Geige und Mandoline gelingt dem Folk-Quartett ein überaus vielseitiges Klangbild. Was Hüsch! darüber hinaus auszeichnet, ist die Vertonung von Liedern in Thüringer Dialekten wie bei "Minnich, willst de dansen" in Vogtländischer Mundart oder "Hansgerg, was mach' mer heit". Mit viel Sachverstand haben Hüsch! auch alte Volksweisen neu arrangiert, die von Dichterfürsten wie Goethe, Eichendorff und Fallersleben stammen. Sogar bis in das frühe Mittelalter reichen die Traditionals, wobei Sängerin Hanna Flock mit der schönen Maienzeit ein Lied des Minnesängers Neidhart von Reuental zauberhaft neu interpretiert. Aus dem frühen 19. Jahrhundert gab es das Liebeslied "Kein Feuer, keine Kohle", das auch Herbert Grönemeyer und Hannes Wader aufgenommen haben.
Ein besonderes Musikerlebnis war das Zusammenspiel der drei Musiker mit Bass- und Diskant-Waldzithern, begleitet von Piccoloflöte oder Gesang. Mit den allseits bekannten Volksliedern "Nun will der Lenz uns grüßen" und "Kein schöner Land in dieser Zeit", leicht und melodisch dargeboten, zeigten die Vier einmal mehr ihre Heimat- und Naturverbundenheit. Überhaupt erfuhr das Publikum ganz nebenbei viele interessante Details aus der umfangreichen Mythen- und Sagenwelt des Thüringer Waldes. Da wurde auch gerne gelacht, wenn Nico Schneider in, dem Fränkischen ähnlicher, Thüringer Mundart den berühmten Rennsteigwanderweg als "Sachsen-Abwehrwall" bezeichnet oder über beliebte Freizeitarbeiten wie Holzmachen, Vogelhäuschen- oder Maultrommelbauen und Kräuterschnapstrinken erzählt. Oder wenn Tim Liebert in seinem autobiografischen Trinklied "Jetzt heut und hier" über seine Militärzeit in der fernen Lausitz singt oder die saubere Leineweberzunft lobt.
Lustig geht es auch im Leierkastensaal zu, die Zuhörer lassen sich von der guten Laune der Vier anstecken und agieren immer wieder mit Beifall und Pfiffen. Am Ende des Konzerts bleibt ein Fazit: So zeitlos und humorvoll kann Volksmusik sein.