Komödie:Liebe, Zufall und Verschwörung

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Mit einer klugen und feinsinnigen Inszenierung begeistert Yvonne Brosch am Hoftheater Bergkirchen derzeit ihr Publikum

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Mademoiselle Silvia ist von Beruf Adelige. Entsprechend selbst- und standesbewusst traktiert sie ihre Zofe Lisette, die mal als Vertraute, mal als Sklavin herhalten muss. Nun soll Mademoiselle von ihrem Herrn Vater verheiratet werden. Der ist ein großzügiger Mensch und gestattet der Tochter, den von ihm Auserwählten erst einmal kennenzulernen, bevor die Eheschließung auf dem Programm steht. Das ist nicht der Plot einer Bollywood-Schmonzette, die die Realität von Zwangsheiraten so gerne verkitscht. Das ist die Ausgangssituation von "Das Spiel von Liebe und Zufall". Die beliebte Komödie von Pierre de Mariveaux aus dem Jahr 1730 zeigt das Hoftheater Bergkirchen aktuell in einer Bearbeitung von Herbert Müller. Die Inszenierung hat Yvonne Brosch besorgt, für das romantische Bühnenbild und die entzückenden Kostüme ist Ulrike Beckers zuständig.

Wie sehr Lisette (Mona Weiblein) ihre Rolle als Mademoiselle genießt, ist unverkennbar im Gespräch mit Monsieur Dorante (Ansgar Wilk) und seinem Bruder (Jürgen Füser). (Foto: Niels P. Jørgensen)

Nun ist Silvia (Helena Schneider) mal umwerfend charmant, mal ebenso kratzbürstig - kein braves Töchterlein, sondern eine junge Frau, die sich nicht widerstandslos den Konventionen ihrer Zeit beugen mag. Sie will den potenziellen Gatten erst einmal auf Herz und Nieren prüfen und tauscht mit Zofe Lisette die Rollen. Lisette (Mona Weiblen), eine herrlich aufmüpfige, vor Selbstbewusstsein strotzende Zofe genießt es aus vollem Herzen, einmal zu denen da oben zu gehören - und sei es auch nur im Spiel. Silvias Pläne werden allerdings von ihrem Ehemann in spe zunächst durchkreuzt. Monsieur Dorante (Ansgar Wilk), ein verschmitzter, gewitzter junger Mann, hat nämlich mit seinem Diener Arlequino (Stephan Roth) ebenfalls die Rollen getauscht. Alequino ist wunderbar unbeholfen und knuddelig trotz seiner imposanten Körpergröße.

Silvia (Helena Schneider) brilliert im Zofengewand. (Foto: Niels P. Joergensen)

So nimmt das Auf und Ab der Gefühle, der Täuschungen, des Findens und Verlierens seinen Lauf. Dirigenten dieses Vexierspiels der erwachenden Leidenschaften sind Silvias Vater, Monsieur Orgon (Herbert Müller), ein ausgefuchster, listiger Mann, und sein Bruder Mario (Jürgen Füser) als amüsierter und amüsierender Mitverschwörer.

Vor den Augen der begeisterten Zuschauer entfaltet sich auf den ersten Blick eine heiter-romantische Komödie, in der die Liebe die Hauptrolle spielt. Auf den zweiten Blick aber fühlt man sich gewaltig an die allseits bekannte Geschichte von Figaro und seiner Susanna nebst Gräfin und Graf Almaviva erinnert. Hier wie da sind es die Herrschenden, die ihre Untergebenen wie Schachfiguren hin und herschieben. Pierre de Beaumarchais stellt in "Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit" - der Vorlage für Mozarts Oper - dieses absolutistische Gehabe ebenso in Frage wie Marivaux in seinem "Spiel von Liebe und Zufall". Marivaux ist um 1730 jedoch noch sehr viel mehr von der manieriert-blasierten Lebensweise der höfischen Gesellschaft und weniger vom Geist der Aufklärung geprägt als Beaumarchais gut fünfzig Jahre später. Beaumarchais lässt den lüsternen Grafen Almaviva nebst frustrierter Gemahlin ziemlich im Regen ihrer eingebildeten "gottgewollten" Überlegenheit stehen. Marivaux dagegen verpackt die seinerzeit noch fast utopische Träume von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in eine reizend, elegante Sprache und wahrt so das gesellschaftliche Ungleichgewicht.

Yvonne Brosch hat in ihrer Inszenierung klug und feinsinnig hinter die heitere Fassade des Spiels von Liebe und Zufall geschaut. Ihr Publikum amüsiert sich köstlich über die Slapstick-artigen Szenen, über das komödiantische Können jedes einzelnen Darstellers. Es weiß aber am vorhersehbaren Ende dieses launigen Sommer-Theaterabends auch, dass die Regisseurin sie in eine Welt entführt hat, die es so nur für die Upper Ten des 18. Jahrhunderts gegeben hat und dass hinter dem schönen Schein das wahre Leben viel zu oft seine hässliche Seite gezeigt hat - und zeigt.

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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