Kommentar:Die Zeit der Enkel

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Am Denkmal des "unbekannten Häftlings" hat man Kränze niedergelegt. (Foto: Toni Heigl)

Stadt und KZ-Gedenkstätte handeln richtig: Beide versuchen, den Kontakt zu den Nachfahren der Menschen zu halten, welche die Nazis aus Dachau vertrieben oder in Dachau ermordeten.

Von Thomas Radlmaier

80 Jahre - nicht nur wegen dieses Jubiläums ist das Erinnern an die Opfer der Reichspogromnacht heuer etwas besonderes. 80 Jahre sind ein Menschenleben. Nur noch wenige Holocaust-Überlebende können sich an diese dunklen Stunden erinnern. Etwa daran, "wie der tobende Mob die Fensterscheiben jüdischer Geschäfte einwarf; wie er blind alles zerschlug und plünderte". So erzählt es Charlotte Knobloch. 1938 war sie sechs Jahre alt.

Der Generation dieser Zeitzeugen muss man unendlich dankbar sein, dass sie die Erinnerung lebendig halten. 80 Jahre nach der "Nacht der Schande" ist es nun an der Zeit, dass die nächste Generation das Erbe des "Nie Wieder!" fortführt.

Vor diesem Hintergrund tut die Stadt, aber auch die KZ-Gedenkstätte das Richtige: Beide versuchen, den Kontakt zu den Nachfahren der Menschen zu halten, welche die Nazis aus Dachau vertrieben oder in Dachau ermordeten. Enkel und Großenkel von Holocaust-Opfern können direkt berichten, wie der Nationalsozialismus ihre Familien auseinanderriss. Sie haben zwar, wie die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Gabriele Hammermann sagt, eine andere Perspektive auf die Geschichte. Aber sie tragen eine Erinnerung unmittelbar weiter. Denn genau darum geht es: Dass auch weiterhin die Geschichten der Opfer erzählt werden. Damit das Gedenken die Generationen überdauert.

Deshalb hat auch Max Mannheimer immer und immer wieder seine Geschichte erzählt, vor allem in Dachau, aber auch in der ganzen Region. Er wusste um die Verantwortung der nachfolgenden Generation. In diesen Tagen zitieren viele seinen berühmten Satz, den er in Schulen Kindern und Jugendlichen mit auf den Weg gab: "Ihr seid nicht verantwortlich für das, was war, aber dafür, dass es nie wieder passiert." Max Mannheimer starb 2016 im Alter von 96 Jahren. Auch wegen seines Todes und dessen anderer Zeitzeugen ist sein Satz am 80. Jahrestag der Reichspogromnacht so bedeutend. Die Gesellschaft darf die Nachfahren der Verfolgten und Ermordeten nun nicht alleine lassen. Das Gedenken an die NS-Zeit ist unser aller Aufgabe. Man kann nur begrüßen, dass es so viele Gedenkfeiern in Dachau gibt. Die Erinnerung lebt. Das sollte auch weiterhin nicht nur am 9. November so sein.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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