Kleinkunstbühne Schwabhausen:Zwerchfell-Etüden

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Machen auch aus Smartphone-Posts des Publikums irrwitzige Bühnenstücke: Udo Zepezauer (links) und sein Kompagnon Helge Thun. (Foto: Toni Heigl)

Helge und das Udo beweisen in der Post Improvisationstalent erster Güte

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Die Kleinkunstbühne im Schwabhausener Gasthof zur Post ist bekannt für ihr vielseitiges, sehr abwechslungsreiches Programm: Wirt Heinrich Kellerer lädt Gäste unterschiedlichster kabarettistischer Genres ein, und das Publikum darf immer wieder mit Neuentdeckungen rechnen. Zum Abschluss der diesjährigen Kleinkunstsaison hat der Postwirt erneut für eine Überraschung gesorgt: Er holte das Duo "Helge und das Udo" mit ihrem Programm "Ohne erkennbare Mängel" nach Schwabhausen: zwei Männer, die 2016 zwar auf Dieter Hallervordens Kleinkunstbühne "Die Wühlmäuse" in Berlin den Publikumspreis gewonnen haben, in Bayern aber nahezu unbekannt sind.

Erklärungsbedürftig ist natürlich erst einmal der Name des Männer-Duos. Helge, klar, klingt nach Norddeutschland. Aber "das" Udo? Das hänge damit zusammen, dass Udo, der Schwabe im Team, ein "begnadeter Tierdarsteller" sei, erklärte Helge, was Udo dann sogleich mit dem Brunftschrei eines röhrenden Hirschs, den Bewegungen eines mümmelnden Meerschweinchens oder dem mürrischen Gesichtsausdruck einer Schildkröte unter Beweis stellt. Das aber ist erst die Ouvertüre eines Abends, an dem beide, der lange Helge und der deutlich kleinere Udo, das Publikum mit dadaistischem Sprachwitz und spontaner Improvisationskunst begeistern. So richtig los geht es mit Schüttelversen. Es gelingt Udo und Helge, ein veritables "Tatort"-Geschehen durchgängig in Limerick-Form zu präsentieren, bei dem sich lustvolles Reimeschmieden und reimbedingter Nonsens prächtig ergänzen.

Einer der Höhepunkte im ersten Programmteil ist ein Spiel mit dem Publikum, das die Wahl unter verschiedenen Gemütszuständen hat, die einfließen sollen in einen Sketch nach dem Vorbild von Loriot. Ein Besucher liefert darüber hinaus das Stichwort für den Schauplatz der Szene: Sie soll im Brillengeschäft eines Optikers stattfinden. Völlig aus dem Stegreif erfinden Udo und Helge eine Geschichte, die von "Herzschmerz" und "Verlustangst", von "Leidenschaft" und "Dusseligkeit" erzählt. Dabei kommen diese Begriffe nicht etwa wörtlich im ad hoc erfundenen Drehbuch vor, sondern werden mit schauspielerischen Mitteln ausagiert und zu einer kohärenten Story zusammengeführt - eine Leistung, die das Publikum mit großem Applaus quittiert.

Ebenso köstlich ist eine Szene, in der Udo als russischer, nur gebrochen Deutsch parlierender Starpianist, in Frack und Hemdbrust, sich zu unterschiedlichen Interpretationen einer bekannten Chopin-Sonate äußern soll. Das Interview, in dem es immer wieder um die ersten Töne der Sonate und deren künstlerisch "richtige" Auffassung geht, wird zur wunderbaren Persiflage selbstgefälligen Expertentums: Helge will das Gespräch so - oder zumindest so ähnlich - tatsächlich selbst im Rundfunk gehört haben.

Noch einmal beweisen sich Helge und Udo, die mit bürgerlichem Namen Helge Thun und Udo Zepezauer heißen, als Improvisationstalente von hohem Rang: Sie holen sich kurze Posts von den Handys ihrer Zuschauer und bauen sie, ohne zu zögern, ein in eine logisch aufgebaute, in sich schlüssige und natürlich auch diesmal wieder sehr komische Geschichte.

Große Kunst ist zuletzt der Dialog zweier Punks auf einer Parkbank, die haschischumnebelt und imaginäre Rasterlocken auf dem Kopf, miteinander ins Gespräch kommen. Es beginnt mit dem Che-Guevara-Logo auf der Brust des einen und bewegt sich in minimalistischem Jugendsprech, eines Dada würdig, durch surreale Räume quer von Havanna über die Sahara bis zum deutschen Bausparer. Auch hier spielt das Männer-Duo wieder mit überbordender Sprachfantasie, mit Wortklängen und Worterfindungen - und zugleich dem Gestus derer, die tatsächlich so cool verknappt miteinander reden.

Mit der letzten Kabarettaufführung in diesem Jahr hat Heinrich Kellerer dem Publikum in der Post einen Ausnahme-Abend beschert. Auch das Programm fürs nächste Jahr dürfte solche Überraschungen zu bieten haben. Noch gibt es, neben Einzelkarten, einige Abos, mit denen man sicher sein kann, auch dann dabei zu sein, wenn ein Solo-Künstler oder eine Gruppe jenseits der großen Namen in Schwabhausen auf der Bühne steht und Überraschendes zu bieten hat.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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