Kirche:"Man kann mit Zweifeln weiter glauben"

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Pfarrerin Katharina Heunemann verlässt Kemmoden nach sechs Jahren in Richtung München. (Foto: oh)

Pfarrerin Katharina Heunemann verlässt Kemmoden. In den vergangenen sechs Jahren lag ihr vor allem die Trauerarbeit am Herzen. Ein Gespräch über Abschied, Trost und die Besonderheit des Berufs

Interview von Emily Strunk

PetershausenPfarrerin Katharina Heunemann verlässt die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde in Kemmoden-Petershausen. Nach sechs Jahren wird sie eine neue Stelle im Südosten Münchens antreten. Am Sonntag hat sie sich im Rahmen eines Gottesdienstes in der Segenskirche verabschiedet. Die SZ sprach mit ihr über den Abschied, ihre Arbeit und die Beweggründe, Pfarrerin zu werden.

SZ: Frau Heunemann, warum verlassen Sie Ihre Gemeinde?

Katharina Heunemann: Das hat hauptsächlich persönliche Gründe. Alle zehn bis fünfzehn Jahre soll man als Pfarrerin die Gemeinde wechseln.

Aber Sie sind ja erst sechs Jahre in Kemmoden.

Da eins meiner Kinder im kommenden Schuljahr eingeschult wird und mein anderes dann auf die weiterführende Schule geht, ist der Zeitpunkt jetzt günstiger als in ein paar Jahren.

Ist so ein schneller Wechsel nicht von Nachteil für die Gläubigen?

Für eine Kirchengemeinde hat dieser stetige Wechsel der Pfarrer sowohl Vor- als auch Nachteile. So empfinde ich es als Nachteil, dass man die Menschen dadurch nur eine Zeit auf ihrem Lebensweg begleiten kann. Das ist sehr schade, da durch all die Festivitäten und die damit verbundenen Gespräche vielschichtige Kontakte zu einer Familie entstehen, die von einer tiefen Verbundenheit geprägt sind. Die Familie findet so auch eine Heimat in ihrem Pfarrer. Andererseits ist ein regelmäßiger Wechsel der Pfarrer für eine Kirchengemeinde auch vorteilhaft, da mit diesen auch immer neue Ideen und frischer Wind in die Gemeinde einfließen.

Gibt es bestimmte Themen, die Sie mit Ihrer Arbeit in der Kirchengemeinde prägen wollten?

Mir liegt es sehr am Herzen, Menschen in Trauer zu begleiten. Ich finde es sehr wichtig, sich da Zeit zu nehmen und bei jemandem zu sein, ihn zu stützen und mit ihm zu sprechen. Daraus entstehen meist sehr erfüllende Gespräche und Momente, sodass ich häufig auch sehr beglückt aus diesen herausgehe, weil zu spüren war, wie viel Liebe die Familie in sich trägt oder der Verstorbene gegeben hat. Bei Trauergesprächen ist es meines Erachtens bedeutsam, dass ich nicht allein als Person, sondern in der Funktion der Pfarrerin zu den Trauernden komme. So kann ich ihnen beispielsweise einen Segen zusprechen, was für die Trauernden sehr heilsam sein und ihnen so auch durch die Trauer helfen kann.

Gibt es einen Grund, weshalb Ihnen gerade die Trauerarbeit so wichtig ist?

Das hängt vielleicht damit zusammen, dass ich ein Praktikum im Hospiz gemacht habe - sodass mir Menschen in Trauer einfach sehr nahe gehen. Gleichzeitig hat es dazu beigetragen, dass ich bei dieser Thematik keine Berührungsängste habe und Menschen deshalb Stütze und Trost sein kann.

Was hat Sie dazu bewogen, Pfarrerin zu werden?

Einer der wichtigsten Gründe ist der sehr enge und vielschichtige Kontakt zu Menschen, den mir dieser Beruf ermöglicht. Ich habe das Privileg, Menschen in der kompletten Bandbreite ihres Lebens zu begleiten und ihnen Gottes Segen zuzusprechen, sei es im Alltag oder bei zentralen Abschnitten ihres Lebens wie Taufe, Konfirmation, Hochzeit oder Beerdigung. Das ist eine sehr erfüllende Aufgabe und das, was mich an diesem Beruf so angezogen hat.

Gab es noch andere Gründe?

Mit Ende meiner Schulzeit war es mir wichtig, mir Zeit zu nehmen, mich mit meinem Glauben und auch meinen Zweifeln zu beschäftigen. Ich wusste, ein Theologiestudium würde mir das ermöglichen. Denn Theologie zu studieren, heißt auch, irgendwann an allem zu zweifeln, aber zu lernen, mit diesen Zweifeln weiter zu glauben und offenzubleiben für die Dimension von Gott und Glaube im eigenen Leben. Ich glaube, das ist etwas, was Gemeindemitglieder auch spüren.

Was spüren sie?

Dass da jemand ist, der zusammen mit ihnen auf der Suche ist. Jemand der ebenso Zweifel zulässt und weiß, dass es Krisen im Glauben gibt, jedoch daran festhält. Einer, der zeigt, dass man mit den Zweifeln weiter glauben kann und nicht alles infrage gestellt sein muss.

Was sehen Sie als größte Herausforderung ihres Berufs?

Ich würde sagen, Beruf und Privates zu trennen. Als Pfarrerin stehe ich schon mit meiner Persönlichkeit in der Öffentlichkeit und bin durch meinen Amtseid dazu verpflichtet, meine Lebensführung so zu gestalten, dass sie der Würde des Amtes entspricht. Ich werde deshalb in der Öffentlichkeit als Person stark mit meinem Beruf identifiziert, sodass mein Verhalten als Privatperson anders bewertet wird. So wird zum Beispiel gesehen, wie sich meine Kinder im Bus benehmen oder was ich beim Einkaufen an der Supermarktkasse aufs Band lege. Für die eigene Freiheit macht es doch mehr aus, als man sich das am Anfang vorstellt.

© SZ vom 08.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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