Kinderbetreuung:"Fern der Realität"

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Pfaffenhofens Bürgermeister Helmut Zech (CSU) kritisiert die Landesregierung für ihr Konzept zum pauschalen Kindergartenzuschuss. Die ohnehin schwierige Personalplanung werde für die Kommunen immer noch komplizierter, zumal der Markt schon jetzt leergefegt ist

Von Horst Kramer, Pfaffenhofen a.d. Glonn

"Das Konzept des Freistaats ist kontraproduktiv und fern der Realität." Pfaffenhofens Bürgermeister Helmut Zech (CSU) ist bekannt als ein Mann der klaren Worte. Als einer, der auch seine eigene Partei nicht schont. Auf der jüngsten Gemeinderatssitzung griff er eine der Errungenschaften der bayerischen Regierungspartei an, auf die sie besonders stolz ist: den pauschalen Kindergartenzuschuss von einhundert Euro, den der Landtag im Mai verabschiedet hat.

Eigentlich ging es bei dem Treffen um das harmlos klingende Thema "Vorstellung der Kindergartenplanung 2020". Doch als Manuela Zech-Probul, die Kindereinrichtungs-Fachfrau im Egenburger Rathaus, ihren Fachvortrag zu den Tücken der Personalschlüsselberechnung und ihren vielen Unwägbarkeiten beendet hatte, schüttelten viele der anwesenden Ratsmitglieder nur den Kopf. "Das ist ja sehr kompliziert, um es vorsichtig zu sagen", kommentierte Klaus Reindl (AWG).

Eines der Probleme: der besagte Zuschuss, der seit kurzem beantragt werden kann, rückwirkend ab April 2019. "Das führte dazu, dass manche Eltern die einhundert Euro dazu nutzten, kurzfristig die Buchungszeiten ihrer Kinder zu verlängern", sagte Zech-Probul. Zum Beispiel auf acht Stunden am Tag statt wie bisher vier oder fünf Stunden. Das mag im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein, stürzte aber die Leiterin des kommunalen Pfaffenhofener Kinderhauses, Christine Kalmbach, in Schwierigkeiten - denn sie benötigt auf die Schnelle zusätzliches Erziehungspersonal. Doch das ist knapp, alle Träger wetteifern um die wenigen verfügbaren Kräfte.

Dass sich die Personallage in Kindergärten schwierig gestaltet, ist nichts neues - nun wird die Situation aber weiter verkompliziert, sagt Bürgermeister Helmut Zech. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Wie viele Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen ein Haus benötigt, hängt davon ab, wie viele und welche Kinder dort betreut werden: ob unter oder über drei Jahre, Integrationskinder, Migrationskinder oder auch Erstklässler, die nachmittags die Einrichtung besuchen. So wird etwa ein "Regelkind" (älter als drei Jahre, kein Migrationshintergrund, nicht behindert) mit dem Betreuungsfaktor 1,0 bewertet, ein Integrationskind mit 4,5 oder ein Schulkind mit 1,2. "Das scheint mir für ein Schulkind etwas viel", so Michael Lampl (CSU). "Der Faktor relativiert sich über den zweiten Faktor Zeit, die ein Kind in der Einrichtung verbringt", erläuterte Zech-Probul.

Die Rathaus-Expertin projizierte ein halbes Dutzend Berechnungstabellen an die Wand des Sitzungssaals, in denen die Parameter und Variablen der Personalplanung verknüpft waren. Das Ziel des Werks: die Berechnung der Fördermittel, auf die eine Kindereinrichtung Anspruch hat: Rund 55 Prozent schießt der Freistaat Bayern zu, zirka zehn Prozent deckt das Haus durch Gebühren, den Rest trägt die Kommune. Sie wies auch auf ein weiteres Planungsproblem hin. Vor drei Jahren stellte der Freistaat Bayern seine Förderzusagen vom Kindergartenjahr auf das Kalenderjahr um. Allerdings weiß eine Kommune im Januar noch nicht, wie viele Kinder im Dezember desselben Jahres - also im folgenden Kindergartenjahr - ihre Einrichtung besuchen werden, trotz frühzeitiger Bedarfsabfrage, wie sie das Egenburger Rathaus praktiziert.

Zum einen antworten nicht alle angeschriebenen Eltern, zum anderen ist die Bevölkerungsfluktuation selbst in einer ländlichen Gemeinde wie Pfaffenhofen hoch. "Bei uns ziehen jedes Jahr ungefähr einhundert Menschen weg und genau so viele zu", sagte der Bürgermeister, "man weiß vorher nie, ob es Singles oder Familien mit Kindern sind - und wenn letzteres, was sie mit ihrem Nachwuchs planen." Allein in der ersten Juli-Woche wären ein halbes Dutzend Anfragen für einen Kindergartenplatz ab dem kommenden September im Rathaus eingegangen.

Die Förderperiodenumstellung ist in den Augen Zechs ein weiteres Beispiel für die Realitätsferne der Landtags- und Bundestagspolitiker. "Die müssten alle in der Kommunalpolitik tätig sein, um zu verstehen, welche Probleme sie mit ihren Gesetzen verursachen", schimpfte der Pfaffenhofener Rathauschef. "Da oben denkt man vermutlich, die Kommunen werden das schon irgendwie hinkriegen. Und irgendwie kriegen wir es meistens hin." Oft nur mit vielen Überstunden der Verwaltung.

Zurzeit werden vier Integrationskinder aus dem Pfaffenhofener Ortsgebiet vom Sulzemooser Kinderhaus betreut, weil in Pfaffenhofen entsprechendes Personal fehlt. Nun will das Kinderhaus Pfaffenhofen eine eigene Integrationsgruppe einrichten, aus pädagogischen wie finanziellen Erwägungen: "Die vertraute Umgebung ist für jedes Kind einfach besser", erläuterte Zech-Probul. Zudem erspart sich der Kämmerer die Ausgleichszahlungen an die Nachbarkommune. Der Bürgermeister bedankte sich bei den Sulzemoosern ausdrücklich für die bisherige Zusammenarbeit: "Das läuft hervorragend."

Der Gemeinderat beschloss einstimmig eine Kooperationsvereinbarung mit einem Träger zur heilpädagogischen Förderung von Integrationskindern. Zudem ermächtigte das Gremium das Rathaus, schon jetzt auf die Suche nach zusätzlichem Personal für das Kindergartenjahr 2020/2021 zu gehen.

© SZ vom 10.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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