Karlsfeld:Reines Schwelgen

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Das Karlsfelder Sinfonieorchester brilliert unter der Leitung von Bernhard Koch mit Beethovens "Pastorale" im Bürgerhaus. Großen Eindruck hinterlässt auch die erst 20 Jahre alte Harfen-Solistin Serafina Jaffé mit ihrem hinreißend virtuosen Spiel

Von Adolf Karl Gottwald, Karlsfeld

Am Samstag sagte die bekannte Harfenistin Silke Aichhorn bei einem Auftritt in Grafrath, keiner der großen Komponisten - sie nannte Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms - habe für Harfe geschrieben und spielte die Fantasie c-Moll von Louis Spohr als das Werk des bedeutendsten Komponisten, der für Harfe komponierte - weil seine Frau Harfenistin war.

Am Sonntag trat im Sinfoniekonzert des Karlsfelder Sinfonieorchesters die junge, gerade 20-jährige Harfenistin Serafina Jaffé auf und spielte mit dem Orchester ein im Jahre 1800 geschriebenes Konzert für Harfe und Orchester C-Dur des Beethoven-Zeitgenossen François Adrien Boieldieu, ein wunderbares, zauberhaftes Konzert, vielleicht das schönste Harfenkonzert, das es überhaupt gibt - Mozart mit seinem Konzert für Flöte, Harfe und Orchester natürlich wie immer außer Konkurrenz. Gewiss hängt dieser Eindruck auch mit der begeisternden Aufführung im Karlsfelder Bürgerhaus zusammen.

Über die Solistin, Serafina Jaffé zu schreiben ohne ins Schwärmen zu geraten, ist schwer. Ihre Virtuosität auf ihrem beeindruckenden Instrument ist enorm, aber auch ihre Musikalität, und ihr Zusammenspiel mit dem Orchester war perfekt. An dieser Stelle gebührt auch dem Karlsfelder Sinfonieorchester unter der Leitung von Bernhard Koch ganz großes Lob; denn Zusammenspiel ist bekanntlich keine Einbahnstraße. Die Harfe ist eines der traditionsreichsten und symbolträchtigsten Musikinstrumente, man bringt sie gern mit König David zusammen, der aber in Wirklichkeit das Instrument Kinnor gespielt haben soll. Doch König David war angesichts der alles überstrahlenden Anmut von Serafina Jaffé an der Harfe vergessen. Als Zugabe machte sie mit der Komposition "La source" von Alphonse Hasselmans bekannt. Hasselmans war der berühmteste Harfenist in Paris, der als der Wiedererwecker des virtuosen Harfenspiels am Ende des 19. Jahrhunderts gefeiert und sogar in die französische Ehrenlegion aufgenommen wurde. Seine "Quelle" sprudelte unter den Fingern von Serafina Jaffé sehr munter. Serafina Jaffé hat nicht nur das Karlsfelder Publikum bezaubert, sie hat auch eine in Deutschland kaum bekannte Kunst des Harfenspiels mitgebracht.

Es gebe wohl keine gelöstere, von Spannungen undBallungen freiere als diesechste Sinfonie, hat einBeehoven-Experte mal über die "Pastorale" geschrieben. Das Karlsfelder Sinfonieorchester unter Dirigent Bernhard Koch bringt das Stück auch in vorbildlich gelöster Weise im Karlsfelder Bürgerhaus zur Aufführung. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Zu Beginn des Konzerts spielte das Karlsfelder Sinfonieorchester unter Bernhard Koch eine Ouvertüre C-Dur von Fanny Hensel, der älteren Schwester von Felix Mendelssohn. Diese Aufführung verdankt Fanny Hensel vermutlich Clara Schumann, deren 200. Geburtstag in diesem Jahr 2019 in besonderer Weise auf die Rolle der Frau in der bisher als Männerdomäne angesehenen musikalischen Komposition aufmerksam macht. Vor allem die Frauen im Publikum lobten Bernhard Koch sehr, dass er dieses Werk einer Frau in sein Programm aufgenommen hat. Fanny Hensel hat in dieser Ouvertüre alles aufgeschrieben, was zu einer klassischen Ouvertüre gehört, Majestätisches, Feierliches, aber auch liebliche Wendungen, ihre Ouvertüre wirkt wie eine geschickt gemachte, leider etwas lang geratene Zusammenfassung von klassischer Ouvertüren-Musik.

Nach der Pause überraschte Bernhard Koch mit einer sehr schönen, sehr gelöst musizierten "Pastorale" von Beethoven. Nach dieser Aufführung mag man überhaupt nicht mehr glauben, dass Beethovens sechste Sinfonie nicht nach seiner fünften ("Schicksalssinfonie"), sondern gleichzeitig mit ihr entstanden ist. Der Münchner Beethoven-Forscher Walter Riezler fand folgende Erklärung: "...offenbar zwang die übermenschliche Konzentration, die die fünfte verlangte, Beethoven dazu, sich in einem Werke von größter Gegensätzlichkeit zu entspannen. In der Tat: wie er niemals eine konzentriertere, 'geballtere' Musik geschrieben hat als die fünfte, gibt es von ihm keine gelöstere, von Spannungen und Ballungen freiere als die sechste Sinfonie." Genau das hat Bernhard Koch mit seinem Karlsfelder Sinfonieorchester in geradezu vorbildlicher Weise gezeigt. Es war (wieder nach Riezler) "ein reines Schwelgen im Dreiklang und in der ewigen Wiederholung der gleichen Figur - ganz im Sinne der musikalischen 'Romantik' (vor allem Schuberts), der Beethoven nie mehr so nahe gekommen ist wie hier."

Star des Abends ist Solistin Serafina Jaffé, die das Publikum mit ihrem Harfenspiel verzaubert. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Schade war nur, dass man die vielen sehr schönen Bläsersoli dieser Sinfonie - nicht nur Flöte, Oboe und Fagott als Nachtigall, Wachtel und Kuckuck in der berühmten "Szene am Bach" - nur gedämpft aus dem Hintergrund hören konnte; die (zu) vielen Vorhänge der Bühne des Karlsfelder Bürgerhauses schlucken arg viel. Aber das von Beethoven im ersten Satz der Sinfonie dargestellte "Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande" (für das Karlsfelder Publikum: bei der Begegnung mit Beethovens "Pastorale") konnten sie nicht verhindern.

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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