Die Geschwindigkeit auf der Münchner Straße durch Karlsfeld wird von 60 auf 50 Kilometer pro Stunde gedrosselt. Seit Donnerstag vergangener Woche ist die Entscheidung bei den Behörden durch und amtlich. Das teilte Richard Wacht von der Verkehrspolizei Dachau bei einem Treffen der Arbeitskreise zum neuen Verkehrsentwicklungsplan am Montag mit. Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) zeigte sich erfreut. "Das sind wirklich gute Nachrichten." Jahrzehnte lang hat die Gemeinde vergeblich darum gekämpft, dass das Tempo an der vierspurigen Durchgangsstraße gedrosselt wird. "Jetzt hängt es nur noch am Auswechseln der Schilder", sagt Wacht.
Noch im August sollen die Tempo-60-Schilder ersetzt werden. Für ein halbes Jahr sollen übergangsweise Tempo-50-Schilder an der Straße stehen, ehe diese dann ebenfalls abgebaut werden. Künftig gilt die vierspurige Münchner Straße, die täglich bis zu 44 000 Fahrzeuge befahren, nicht mehr als Durchgangsstraße, sondern als innerörtliche Straße. Lange hatte sich das zuständige Straßenbauamt gegen diesen Schritt gewehrt. Der Widerstand schwand allerdings rapide, als neue Berechnungen zeigten, dass Pendler mit entsprechender Ampelschaltung durch den ganzen Ort nicht mehr als drei Sekunden Zeit verlören. Den letzten Ausschlag gab nun offenbar die jährlich tagende Unfallkommission der Dachauer Polizei.
In den vergangenen Jahren hat die Gemeinde zahlreiche neue Märkte an der Münchner Straße angesiedelt, um aus dem belastenden Durchgangsverkehr wenigstens noch einen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Das führt notgedrungen zu zahlreichen Querungspunkten zwischen Fußgänger- und Autoverkehr. "Das hat uns überhaupt nicht gefallen", sagt Wacht. Zwar habe es an den Querungspunkten nicht sehr viele Unfälle mit Passanten gegeben, aber wenn doch, seien sie oft sehr schwerwiegend gewesen. Der Umbau hat zur Folge, dass die Polizei die Münchner Straße nicht mehr als klassische Durchgangsstraße bewertet. "Wir sehen sie als Straße mit innerörtlichem Charakter." Und innerörtlich gilt von Haus aus Tempo 50 und nicht die jetzt noch geltenden 60.
Das ermutigende Signal kam genau zur rechten Zeit: Die Entwicklung, Ausarbeitung und Umsetzung des Karlsfelder Verkehrsentwicklungsplans ist ein langer Prozess. Von den 80 eingeladenen Workshop-Teilnehmern kamen jetzt, da es an die Umsetzung im Detail geht, gerade mal 30 ins Bürgerhaus. "Ich habe mit etwas mehr Teilnehmern gerechnet", sagte der Bürgermeister. Aus den Wortmeldungen war allerdings viel Skepsis herauszuhören, ob die komplizierte Therapie so schnell Linderung schaffen kann, wie das Leiden unter dem Verkehr sich verschärft.
"Der Schleichverkehr durch Karlsfeld West hat stark zugenommen", beklagte Anwohner Horst Bokelmann, dem neuerdings viele Fahrzeuge mit FFB-Kennzeichen im Ortsteil auffallen. Weil es wegen der zugeparkten Straßen so eng sei, wichen einige Autofahrer einfach über Fußwege aus, die auch als Schulwege genutzt werden. "Das sind absolut absurde Situationen", sagte er. Im Gutachten von Verkehrsexperte Christoph Hessel gilt das Gebiet um den Bahnhof im Gegensatz zum zentralen Bereich um die Neue Mitte noch nicht als kritisch, was die Parksituation betrifft. "Aber ich habe immer gesagt, wir behalten das im Auge", sagte Hessel ruhig.
Manche haben wohl das Gefühl, er sei zu ruhig, die Prozesse im Verkehrsentwicklungsplan, der auf 10 bis 20 Jahre angelegt ist, zu langwierig. Die Gemeinde braucht zahlreiche Partner in den Nachbarkommunen, im Landkreis, beim MVV, auch im Bund, wenn es um den Bau eines Karlsfelder Kurztunnels für 82 Millionen Euro geht. Auf den setzen die Karlsfelder die größten Hoffnungen. Aber bislang ist das Großprojekt im neuen Bundesverkehrswegeplan nur als Option gelistet. Selbst wenn die Finanzierung stünde, würden die Planungen noch Jahre dauern. Und ein Allheilmittel wäre der Tunnel wohl auch nicht. "Damit erweitern Sie Ihre Spielräume am meisten", sagte Hessel. Aber zu einer Entlastung komme es nur, wenn alle Maßnahmen - vom überörtlichen Autobahnausbau bis zur separaten Busspur - sinnvoll miteinander verzahnt seien. Doch wann wird das sein?
Die Bürger drängen auf Ergebnisse, die Ungeduld ist groß. Das gilt sogar für den CSU-Ortsvorsitzenden Bernhard Gaigl, der auch nicht einsehen will, warum in München ein Lkw-Durchfahrtverbot möglich ist, Karlsfeld derselbe Schritt aber verwehrt sein sollte. Frust macht sich breit. Manche argwöhnen schon, Teil einer Alibi-Veranstaltung zu sein. Aber dem tritt Bürgermeister Kolbe mit deutlichen Worten entgegen. "Das hier ist keine Show-Veranstaltung. Wir brauchen Lösungen." Das hat er auch Landrat Stefan Löwl (CSU) gesagt. Obwohl der Landkreis bis zum Abschluss seines Nahverkehrskonzepts bis 2019 generell keine neuen Linien einrichten will, hat Kolbe trotzdem schon die Zusage für einen Probebetrieb der Linien 701 und 711 mit neuer Streckenführung über den rasant wachsenden neuen Ortsteil westlich der Bahn.