Karlsfeld:Die Kunst liegt im Format

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Zur Jubiläumsausstellung ist Quadrat die strikte Vorgabe

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Müsste eine einzige Arbeit diese Ausstellung zusammenfassen, wäre es wohl das Diptychon von Wolfgang Seehaus. Das erste Bild zeigt einen dürren Baum, in den ein Specht die Jahreszahl 1977 einhämmert, das zweite einen dicken Baum, an dem ein Biber nagt, aber nur ein bisschen außen an der Rinde, damit man die 2017 schön sieht. In 40 Jahren kann ein Baum ganz schön groß werden und ganz schön stark. Es ist ein selbstbewusstes und auch ein bisschen selbstironisches Bild, das Wolfgang Seehaus vom Kunstkreis Karlsfeld zeichnet, den er 1977 selbst mitbegründet hat. Die Sonderausstellung "Kunst im Quadrat", die zum Jubiläum in der Galerie am Drosselanger zu sehen ist, ist eine künstlerische Reflexion, aber keineswegs bloß retrospektiv. Das wäre auch sonderbar bei einem Kreis, der vorwärts drängt und sich der Moderne verpflichtet sieht - auch wenn dieser Begriff mit fortschreitender Zeit immer diffuser wirkt.

Kunst im Quadrat ist nicht nur ein Titel, der irgendwie, wenn auch nicht streng arithmetisch, zur Zahl 40 passt. Das Quadrat ist auch formales Konzept: In einer Sammelbestellung gab Kunstkreis-Chef Dieter-Kleiber Wurm 40 Leinwände von jeweils 50 auf 50 Zentimeter aus. Diese Bilder hängen nun alle in 13,5-Zentimer-Abständen auf einer Höhe nebeneinander und ergeben ein "Bild-Band", das dieser Ausstellung, bei aller Individualität der Arbeiten, ein sehr einheitliches Gepräge gibt. Manchen Kunstkreis-Mitgliedern verlangt das Ungewohntes ab: Manfred Schmölz kennt man eigentlich als Aquarellmaler mit raumgreifenden expressiven Berglandschaften. 0,25 Quadratmeter sind für diese Welten aus wolkigen Gebirgen einfach zu klein. Diesmal hat er sich an Acrylfarben versucht, die keine Transparenz zulassen und daher zunächst auch keine Tiefenwirkung erzeugen. Das Resultat des Experimente ist durchaus vorzeigbar.

Eine Region und ihr Wachstum

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(Foto: gfh)

Die Region boomt nicht erst seit ein paar Jahren. Bereits 1977 war das Wachstum absehbar. Damals gründete die Süddeutsche Zeitung Redaktionen in allen Kreisstädten des Umlands. Zum 40. Geburtstag der Lokalteile befragte die SZ ihre Leser, wie wohl sie sich in ihren Landkreisen fühlen. Die Ergebnisse dieser Umfrage sowie Analysen, Reportagen und Interviews zur Boom-Region und ihrer Geschichte präsentiert die SZ in dem digitalen Dossier "Stadt, Land, Plus". sz.de/regio-jubilaeum

Noch ungewohnter dürfte das Feld für Klaus Herbrich gewesen sein. Er hat seine Bildhauerei quasi en miniature auf eine Leinwand appliziert. Die Schnitte schwarzer Steine korrespondieren mit der gewebeartigen Textur der Leinwand. Weitere Entdeckung in dieser Ausstellung: Norbert Röhrle, Karsfelder Vizeweltmeister im Speerwurf der Senioren, ist schon lange Mitglied im Kunstkreis; nun sieht man auch mal eine Arbeit von ihm: "Flutendes Rot", eine abstrakte Landschaft, die Assoziationen mit anatomischen Schnitten weckt.

Der Witz darf in einer Kunstkreis-Ausstellung natürlich auch nicht zu kurz kommen: Anita Neuhaus hat eine Barbie-Puppe "à la Christo" verhüllt. Das Ergebnis wirkt verblüffend sakral: ein bisschen wie das Turiner Grabtuch, nur in klein und aus dem Hause Mattel. Zum Anbeißen sind die Arbeiten von Tayama da Silva-Nielsen: Sie hat Buchstaben aus Teig gebacken mit unterschiedlichen Schokoladen-Anteilen, entsprechend hell oder dunkel sind die Buchstaben, die einen Kreis ergeben und in einer Art Blindtext fortlaufen. "I am done making art, I should bake and mute." Frei übersetzt: "Ich bin fertig mit der Kunst, ich sollte backen und still sein." Selten hat man den Geschlechterdiskus so originell dargestellt gesehen - und so knusprig.

Die SZ Dachau begleitet ihr Jubiläum mit Artikeln und feiert: 2. Juni, von 19 Uhr an, Redaktion in der Färbergasse 4. (Foto: SZ-Grafik)

Tatsächlich hängen in der Ausstellung nicht 40, sondern 41 Bilder. Das letzte hat ein Künstler verspätet vorbeigebracht. Kunstkreis-Chef Dieter Kleiber Wurm, von dem eine Landschaft in kunstvoll verlaufenen Acrylfarben zu sehen ist, hat sie kurzerhand auch noch mit aufgehängt. 41, das klingt schon nicht mehr so quadratisch und rund wie 40, aber das Jubiläum soll ja auch nicht das Ende gewesen sein. Deswegen findet Dieter Kleiber-Wurm es sogar gut, dass es eine 41. Arbeit in der Ausstellung gibt. "Das weist den Weg in die Zukunft."

Am Samstag, 13. Mai, um 10 Uhr feiert der Kunstkreis in der Galerie Kunstwerkstatt am Drosselanger 40-jähriges Bestehen. Um 10.30 Uhr wird die Sonderausstellung "Kunst im Quadrat" eröffnet, sie ist bis 18 Uhr zu sehen. Am Sonntag, 14. Mai, lädt der Verein von 10 Uhr bis 18 Uhr zum "Tag der offenen Galerie" ein. Die Ausstellung kann auch am Samstag/Sonntag, 20./21. Mai jeweils von 14 bis 18 Uhr besichtigt werden.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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