Karlsfeld:Die Bewohner im Blick

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"Wir richten uns nach Ihnen": Das ist das Motto der neuen Altenheim-Leiterin Verena Nuber. Sie möchte die Betreuung im Heim wieder ein Stück näher an das häusliche Wohnumfeld rücken. (Foto: Toni Heigl)

Wie die neue Leiterin Verena Nuber über die Pflege hinaus versucht, dass sich Senioren im Altenheim Sankt Josef wie Zuhause fühlen. Dort können sie selbständig Tee kochen oder auch mal Kuchen backen

Von Petra Schafflik, Karlsfeld

Wenn es nach Verena Nuber geht, sollen sich die 126 Bewohner im Caritas-Altenheim Sankt Josef rundum heimisch und wirklich zu Hause fühlen. "Wir arbeiten nach dem Leitbild der konsequenten Bewohner-Orientierung", sagt die 35-Jährige, die seit Kurzem als neue Leiterin an der Spitze der Karlsfelder Einrichtung steht. Die Beschäftigten in dem traditionsreichen Haus werden gezielt geschult, die Wünsche der Bewohner zu beherzigen und deren Gewohnheiten zu berücksichtigen. Das Motto laute: "Wir richten uns nach Ihnen." Ein Ansatz, der sich auch in der neuen räumlichen Struktur des Hauses widerspiegelt. Auf allen Etagen gibt es voll ausgestattete Küchen, die auch von den Bewohnern mit genutzt werden können. "Wir setzen nun das Wohngruppenkonzept um."

Mit der neuen Strategie will man die Betreuung im Heim wieder ein Stück näher an das häusliche Wohnumfeld rücken. Bewohner können sich selbst eine Tasse Tee zubereiten, mal ein Spiegelei braten. Und wer Lust hat, trifft sich gemeinsam mit Gleichgesinnten, um den geliebten Apfelkuchen oder ein paar Plätzchen für Weihnachten zu backen. Auch den eigenen Frühstücksteller spülen, mit dem Lappen über den Tisch wischen - solche hauswirtschaftlichen Handgriffe sind für viele von zu Hause gewohnte Routine. Diese auch im Heim beizubehalten, sei gerade auch für Demenzkranke enorm wichtig.

Die Organisation der Pflege und Betreuung wandelt sich, so wie sich die Bewohner ändern. Noch leben in Karlsfelder Sankt-Josef-Heim neben pflegebedürftigen Männern und Frauen auch einige rüstige Senioren. "Aber die Pflegebedürftigkeit der Bewohner nimmt zu", beobachtet Leiterin Nuber. Zudem steigt der Anteil der an Demenz Erkrankten. Alles Entwicklungen, die deutliche Auswirkungen auf die Pflege haben. "Die Versorgung der Bewohner wird immer individueller." Und ein Wandel, der noch lange nicht zu Ende ist. Die künftige Generation von Senioren wird vermutlich andere Ansprüche stellen als aktuelle Bewohner, die in der von Sparsamkeit und Genügsamkeit geprägten Kriegs- und Nachkriegszeit aufgewachsen sind. "Wir werden uns umstellen müssen, es wird andere und vielfältigere Angebote geben müssen."

Doch für eine individuelle, gute Pflege braucht es auch engagierte Mitarbeiter, die auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht zu finden sind. Das weiß auch Heimleiterin Verena Nuber, selbst gelernte Altenpflegerin. Weil qualifiziertes Personal rar, die Fluktuation in der Pflege hoch ist, "lassen wir uns einiges einfallen". Um bewährte Kräfte zu halten, setzt Nuber auf Fortbildung und möglichst maßgeschneiderte Angebote für Beschäftigte, die Familie und Beruf vereinbaren möchten.

Gleichzeitig macht das Karlsfelder Haus mit bei einer Aktion der Caritas, um Pflegekräfte von den Philippinen anzuwerben. Mit Erfolg: Seit einigen Wochen ist ein philippinisches Ehepaar, beides ausgebildete Altenpfleger, bereits im Haus tätig. Doch Verena Nuber ärgert, dass der Beruf des Altenpflegers wie auch andere soziale Tätigkeiten so wenig Wertschätzung und Anerkennung erfahren. Die Wurzel dafür liegt ihrer Ansicht nach in einer individualistischen Gesellschaft, in der Geld viel, das Miteinander wenig zählt. Ein neues Bild sozialer Berufe könnte entstehen, so ihre Einschätzung, wenn bereits Jugendliche einen konkreten Einblick in diese Arbeitsfelder bekommen würden, etwa über Praktika. Denn tatsächlich sei Altenpflege "schon ein Knochenjob, der aber viel Eigenständigkeit und Abwechslung bietet". Vor allem sind Pfleger für die von ihnen betreuten Menschen nicht distanzierte Helfer, sondern gleichzeitig auch ein wenig Familie, Freund, Begleiter, Zuhörer. Für Verena Nuber kommt deshalb eine andere Tätigkeit, ein ruhiger Bürojob etwa, gar nicht in Frage. "Von den Bewohnern bekommt man wahnsinnig viel zurück."

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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