Karlsfeld:Das Ende der Bamberger-Schule

Lesezeit: 3 min

Nach fehlerhaften Standortplanungen und einem vergeblichen Kampf um Geld gibt der Verein Kinderschutz auf. Die Karlsfelder Einrichtung für 60 Kinder und Jugendliche mit sozialem Förderbedarf muss schließen

Von Viktoria Großmann, Karlsfeld

Für die 60 Kinder und Jugendlichen, welche die Elisabeth-Bamberger-Schule in Karlsfeld besuchen, ist es das letzte Jahr an dieser Einrichtung: Ende Juli 2016 wird die Schule geschlossen. Der Mietvertrag ist bereits gekündigt. Die Kinder, die wie es in der Fachsprache heißt, "Förderbedarf im sozialen und emotionalen Bereich" haben, werden auf ähnlich spezialisierte Schulen verteilt oder müssen zurück in Regelschulen. Derzeit besuchen 14 Kinder aus dem Landkreis Dachau die Schule, mehr als die Hälfte kommt aus München, die anderen aus den umliegenden Landkreisen. Der Träger der Schule, der Verein Kinderschutz, gegründet 1901, im Landkreis Dachau tätig seit 1926, kann den Schulbetrieb nicht mehr finanzieren. Die Miete für die Räume im Karlsfelder Gewerbegebiet ist zu hoch. Die Förderung von Freistaat und Bezirksregierung reicht nicht aus, sagt Vorstand Norbert Blesch.

"Unsere Kinder haben keine Lobby", begründet Blesch den zähen Kampf um Fördermittel. Häufig seien Lehrer und Eltern an Regelschulen einfach nur froh, "einen Störenfried los zu sein". Ziel der Lehrer und Heilpädagogen an der Bamberger-Schule ist es, die Kinder und Jugendlichen zu stabilisieren, sodass sie an ihre Regelschule zurückkehren können. Es ist aber auch möglich, den qualifizierenden Hauptschulabschluss zu machen. Für den Verein Kinderschutz wird dieses Angebot nun zu teuer. "Wenn wir die Schule weiter betreiben, gefährden wir den gesamten Verein mit seinen 500 Mitarbeitern", sagt Blesch. Der Verein betreibt Kindertagesstätten, bietet ambulante und stationäre Erziehungshilfe an, unterhält Wohngruppen für Jugendliche und eine Beratungsstelle für Missbrauchsopfer. Im Landkreis wird der Verein weiterhin in der Schulsozialarbeit in Karlsfeld und Markt Indersdorf und in der Betreuung und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aktiv sein.

Nur noch bis Ende des Schuljahres soll an der Dr.-Elisabeth-Bamberger-Schule unterrichtet werden, im Bild Lehrer Uwe Roßberg. (Foto: Toni Heigl)

Blesch macht nicht allein den Freistaat für das Ende der Schule verantwortlich, sondern auch Fehlentscheidungen im Verein. "Man hätte das Grundstück in Dachau nicht veräußern dürfen", sagt er heute. Der damalige Vorstand des Vereins hatte Ende der Neunzigerjahre beschlossen, für die Elisabeth-Bamberger-Schule ein neues Gebäude an einem anderen Ort zu errichten. Dafür wurde 2004 das Grundstück an der Hermann-Stockmann-Straße in Dachau-Süd verkauft. Lange wurde nach einem neuen Grundstück gesucht, der Träger hatte Interesse an einem Standort am Schulzentrum Augustenfeld bekundet. Es habe am politischen Willen gefehlt, wurde damals kritisiert. Grafrath im Landkreis Fürstenfeldbruck war als Standort so gut wie beschlossen, dann legte man sich 2005 auf Markt Indersdorf fest. Die Gemeinde änderte extra den Flächennutzungsplan. Insgesamt 19 Millionen Euro hatten der Schulneubau und ein Wohnheim kosten sollen, 12,2 Millionen wollte der Freistaat übernehmen - allerdings nicht vorschießen. Dem Verein wuchsen die Kosten über den Kopf, er verkaufte das Grundstück wieder, es war ein Minusgeschäft.

Heute ist das Geld aus beiden Grundstücksverkäufen weg. Aufgezehrt von Planungskosten für eine Schule, die nie entstanden ist. Die Mitglieder zogen Konsequenzen: Der ehrenamtliche Vorstand, der früher die Entscheidungen traf, wurde ersetzt durch geschäftsführende Vorstände und einen gewählten Aufsichtsrat, regelmäßig gibt es eine externe Buchprüfung. "Wir haben uns professionalisiert", sagt Blesch. Der Schule hat das nicht geholfen: Endgültig defizitär wurde der Betrieb durch die viel zu hohe Miete in Karlsfeld. Vor fünf Jahren waren Verein und Gemeinde glücklich über die Lösung, die nur eine Übergangslösung sein sollte. Der Mietvertrag wurde von der Bezirksregierung genehmigt. Vier Jahre später, so stellt es Blesch dar, erfährt der Verein, dass die Regierung keineswegs die gesamte Miete rückerstattet, sondern nur etwa 70 Prozent. Auf dem Rest bleibt der Verein sitzen.

"Die Förderung von Freistaat und Bezirksregierung reicht nicht aus", sagt Norbert Blesch. (Foto: Toni Heigl)

Der Versuch, eine neue Bleibe zu finden, scheitert laut Blesch daran, dass die Regierung den Verein verpflichten will, einen Mietvertrag auf 25 Jahre abzuschließen und außerdem sämtliche Umzugs- und Umbaukosten vorzustrecken oder selbst zu tragen. Der Verein versuchte, auch von den Landkreisen Förderung zu erhalten, doch es hätte der Vermittlung durch das Kultusministerium bedurft. Der Schulaufwand werde zu 80 Prozent ersetzt, erklärt Simone Hilgers von der Regierung von Oberbayern. Zudem unterstützt der Freistaat die Schule mit Personal. Sechs der insgesamt 29 Lehrer sind Beamte. Am Donnerstagabend wurden Schüler und Eltern informiert. Retten könnte die Schule nur ein anderer Träger oder, wie Geschäftsführer Norbert Blesch sagt, "ein Goldesel".

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: