Karlsfeld:Beharrlich und streitbar

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Bürgermeister Stefan Kolbe (li.) verabschiedet Raina Niklasch in den Ruhestand. Auch Peter Wummel und Isolde Wengenmayer (re.) nehmen Abschied. (Foto: Toni Heigl)

Rektor Peter Wummel, Wegbereiter des "Karlsfelder Modells", verlässt die Mittelschule und geht ins Hasenbergl

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Peter Wummel ist angeschlagen. Er geht auf Krücken, das rechte Bein steckt bis zum Knie in einer medizinischen Stützkonstruktion. Wie soll er da all die Blumen in Empfang nehmen, die ihm zur Verabschiedung am Mittwoch in der Aula der Mittelschule Karlsfeld gereicht werden, die Dankeskarten und Weinkisten? Das Mikro muss er ja auch noch halten, irgendwie, und etwas sagen. Eigentlich ist er ja kein Mann großer Worte, Pathos liegt ihm nicht, feine Ironie schon eher. Aber das ist ein besonderer Tag. Feierlich und schön, aber auch schwer. Konrektorin Isolde Wengenmayer wechselt an die Paul-Hey-Schule in Gauting und Peter Wummel an die Spitze der Eduard-Spranger-Mittelschule im Münchner Stadtteil Hasenbergl. Es ist ein tiefer Einschnitt. Für alle.

"Ich bin wahnsinnig stolz auf diese Schule", sagt Peter Wummel. Keine Schule im Landkreis habe sich in den vergangenen acht Jahren so rasant entwickelt wie diese. Das sei auch das Verdienst "toller Kollegen" und der Gemeinde Karlsfeld, die immer "hundertprozentig" hinter der Schule gestanden habe. "Es ist immer eine Gemeinschaftsarbeit", betont er. Wummel mag es nicht, wenn er so ins Rampenlicht gerückt wird. Andere könnten darüber vielleicht übersehen werden, die immer muntere Sekretärin zum Beispiel und der gewissenhafte Hausmeister. Die "guten Geister" dieser Schule.

Und das Bein? "Ich habe für diese Schule meinen letzten Nerv gegeben", sagt Wummel mit fröhlicher Theatralik. "Und auch meine Achillessehne." Beim Völkerball ist sie gerissen. Leiter einer Mittelschule zu sein, ist ein hartes Geschäft, aber der Lädierte geht als Teamchef einer siegreichen Mannschaft vom Platz nach acht Jahren, die sehr viel schwerer waren, als er sich das anfangs vorgestellt hat. Nicht selten hatte er intensive 50- oder 60-Stunden-Wochen. Ohne den Rückhalt seiner Familie wäre das unmöglich gewesen, sagt er. Seine Frau umarmt und drückt ihn. Immer wieder. Man merkt, wie stolz sie auf ihn ist.

Karlsfeld und Peter Wummel, das war keine Liebe auf den ersten Blick. Im Dezember 2007 entdeckte Wummel die Stellenanzeige. "Ich habe sehr lange überlegt, ob ich mich bewerben soll." Zu dieser Zeit gab es zwei Hauptschulen im Landkreis, die "keinen sonderlich guten Ruf" hatten: Karlsfeld und die Hauptschule im "Scherbenviertel" Dachau-Ost, wo er selbst Konrektor war. "Ich habe nicht geahnt, was da auf mich zukommen würde", sagt der Schulleiter und feixt in Richtung Bürgermeister: "Im Rathaus waren sie beim Bewerbungsgespräch ahnungslos, dass der Wummel sie Millionen kosten würde."

Rathauschef Stefan Kolbe (CSU) zählt alles auf: die Kletterwand, den Neubau der Mensa, die Innenhofgestaltung, die enge Zusammenarbeit mit anderen Schulen, allen voran der Bamberger-Schule, die Installation von Übergangsklassen für fremdsprachige Kinder, das erste Schüleraustauschprogramm mit der italienischen Partnerstadt Muro Lucano und vor allem die Etablierung der Mittelschule Karlsfeld als Modellschule, die in Bayern einzigartig ist. In Karlsfeld können die Schüler einen Abschluss auf Realschulniveau ablegen, dieses "Karlsfelder Modell" dürfte es im streng dreigliedrigen bayerischen Schulsystem so eigentlich gar nicht geben; der Widerstand im Kultusministerium war massiv. Mit sturer Beharrlichkeit setzte Wummel das Konzept durch. Seine Schüler, darunter ein großer Anteil von Migrantenkindern, sollten mit einer echten Zukunftsperspektive von der Schule gehen.

Der "unerschütterliche Glaube an die Fähigkeiten und Talente der Schüler" ist es, der Bürgermeister Kolbe an dem streitbaren Schulleiter besonders beeindruckt. Während andernorts Mittelschulen schließen, wächst die Schülerzahl in Karlsfeld rasant. Von etwa 200 im Jahr 2008 stieg sie auf 330. Im kommenden Schuljahr soll es noch zwei Klassen mehr geben, insgesamt 350 Schüler. "Inzwischen wird das Karlsfelder Modell von vielen Schulen kopiert", sagt Bürgermeister Kolbe sichtlich stolz.

Das wird auf alle Fälle bleiben - und hoffentlich auch die von allen Seiten gelobte gute Atmosphäre. Konrektorin Isolde Wengenmayer bedankt sich bei den Schülern für gemeinsame Busfahrten in die Schule, für lustige Unterhaltungen und Eskorten ins Schulgebäude. "Manchmal habe ich mich schon wie ein Promi gefühlt." Gelächter und Applaus. Peter Wummel spricht trotzdem von einer "Bootcamp-Schule", also einem Ort gnadenlosen Drills. Ein bisschen Sarkasmus kann sehr nützlich sein, damit einen am Ende nicht doch noch die Rührung übermannt.

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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