Karlsfeld:Bauen für alle

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In Karlsfelds Ortszentrum "Neue Mitte" kostet eine 120-Quadratmeter-Wohnung um die 700 000 Euro. (Foto: Toni Heigl)

Karlsfeld boomt. Wohnen ist kaum noch bezahlbar. Die Gemeinde wird von den Folgekosten des Wachstums förmlich erdrückt. Jetzt setzt sie zur Kurskorrektur an und will Investoren stärker in die Pflicht nehmen

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Die Gemeinde Karlsfeld hat noch mal ein richtiger Wachstumsschub erfasst. Ende Oktober knackte sie die Marke von 20 000 Einwohnern. Infolgedessen wird der Gemeinderat in der kommenden Wahlperiode 30 statt 24 Sitzen haben; bei den Haushaltsberatungen wird man sich demnächst wohl über einen größeren Sitzungstisch und sechs neue Stühle unterhalten müssen. Aber das sind vergleichsweise geringe Folgekosten des Wachstums. Viel mehr Geld muss die Kommune für neue Straßen ausgeben, für Krippen und Kindergärten, für Schulen und den Bauhof. Und obwohl Investoren derzeit in der Gemeinde mehrere hundert Wohneinheiten aus dem Boden stampfen, finden Normalverdiener keinen bezahlbaren Wohnraum mehr. Nirgendwo im Landkreis ist das Preisniveau bei Mieten und Immobilien so hoch wie in Karlsfeld.

Nun will die Gemeinde gegensteuern und nach dem Modell der Sozialen Bodennutzung Investoren stärker in die Pflicht nehmen. Die Stadt München tut dies schon seit Mitte der Neunziger Jahren. Viele Kommunen ziehen jetzt nach - nicht zuletzt, weil sie die Millionensummen kaum noch schultern können, die sie für den Ausbau der Kinderbetreuung aufwenden müssen. Die Idee ist einfach: Die Folgelasten, die ein Bauprojekt einer Kommune verursacht, werden auf den Investor umgelegt. Außerdem muss er sich verpflichten, einen gewissen Anteil von Wohnungen herzustellen, die preislich gebunden sind und auch für mittlere und kleinere Einkommen erschwinglich sind.

Eine Wunderwaffe gegen explodierende Mietpreise ist das Modell der Sozialen Bodennutzung nicht, das zeigt das Beispiel München. Auf Grundlage der sozialen Bodennutzung seien dort von 1994 bis 2012 etwa 9000 sozial geförderte Wohnungen entstanden, sagt Marc Wißmann, stellvertretender Direktor des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum München. Damit sind in der Landeshauptstadt in 18 Jahren so viele verbilligte Wohnungen entstanden, wie jedes Jahr dort regulär gebaut werden. "Man darf sich nicht erwarten, dass sich das Preisgefüge schnell ändert."

Grundsätzlich kann das Modell nur angewandt werden bei Wohnbebauung und wenn neues Baurecht geschaffen oder bestehendes deutlich erweitert wird. Der Investor muss dann einen Teil der Wohnungen - häufig sind es 30 Prozent - zu einem vergünstigten Preis anbieten, entweder zum Kauf oder zur Miete. Bei der Berechnung gibt es verschiedene Modelle. So kann die Kommune sich nach dem örtlichen Mietspiegel für einfache Wohnungen richten, sie kann eine Mietobergrenze festlegen oder auch die Sozialmiete mit einem Aufschlag von 30 Prozent zugrunde legen. Nach einer Frist von 25 Jahren läuft die Sozialbindung aus. Dem Bauherren werden außerdem die erwarteten sozialen Folgekosten in Rechnung gestellt, wobei ihm mindestens ein Drittel des Wertzuwachses auf dem Baugrundstück belassen werden muss.

Alle Fraktionen wollen dieses Modell. Unklar ist nur, wie es im Detail ausgestaltet werden soll. Den Vorschlag von Bündnis-Gemeinderat Adrian Heim, sich am Nachbarn Dachau zu orientieren, lehnt Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) ab. "Wir haben ganz andere Rahmenbedingungen und müssen auf unsere eigenen Bedürfnisse abheben." Die erstrecken sich für CSU-Gemeinderat Wolfgang Offenbeck über ein weites Feld "von Sozialwohnungen bis zum Einheimischenmodell". Sozialreferentin und SPD-Fraktionssprecherin Hiltraud Schmidt-Kroll begrüßt, dass in dem Modell insbesondere auch die Bürger mit mittleren Einkommen berücksichtigt werden sollen. "Es ist nur schade, dass wir die großen Baugebiete schon entwickelt haben", sagt sie mit Blick auf das Ortszentrum Neue Mitte und das Wohngebiet "nido" westlich der Bahn.

Der Bürgermeister betont, dass Investoren in der Vergangenheit durchaus schon in die Pflicht genommen worden seien, etwa bei der Entwicklung des Eon-Geländes. Johann Willibald (CSU): "Das ist keine Neuerfindung, es hat jetzt nur einen neuen Namen." Dem widerspricht Beate Full (SPD): Was die Investoren zahlen, sei bisher ein Frage des Verhandlungsgeschicks des Rathauschefs gewesen. Künftig regle dies eine Richtlinie einheitlich für alle. Mechthild Hofner, Sprecherin der Bündnis-Fraktion, sieht einen weiteren Vorteil: Bei großen Bauvorhaben gebe es auch für die Bürger mehr Transparenz.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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