Kandidaten für Tassilo-Preis:Im Rhythmus des Herzens

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Christian Benning will nur eines: mit seinem Schlagzeug begeistern. Der 16-Jährige war schon auf Tournee in Südkorea, im Herbst geht es auf Konzertreise nach Ägypten. Seiner Dachauer Heimat bleibt er dennoch fest verbunden.

Andreas Pernpeintner

Für das Schlagzeug sei die neuere Musikgeschichte ganz entscheidend, sagt der junge Dachauer Schlagzeuger Christian Benning. Man stutzt kurz ob dieser Aussage. Schlaginstrumente gehören zu den ältesten Instrumenten der Menschheit. Wer mit ihnen musiziert, hat schon heute enorme Möglichkeiten. Doch Benning hat recht: Erst seit kurzer Zeit - gemessen an Jahrhunderten abendländischer Musikgeschichte - werden in der Kunstmusik viele Werke für solistisches Schlagzeug und Orchester geschrieben, virtuose Bravourstücke, Kompositionen für Percussionensemble.

Christian Benning unternimmt jetzt schon ausgedehnte musikalische Reisen mit der Bayerischen Philharmonie und rockt trotzdem noch in Dachauer Bands. (Foto: DAH)

Das Schlagzeug hat einen neuen Stellenwert bekommen: Es ist nicht mehr nur für den besonderen Orchestereffekt oder für das rhythmische Fundament vorgesehen. Es ist zum Soloinstrument avanciert. Und wie einst die klassischen Soloinstrumente mit wachsender Virtuosität der Kompositionen weiterentwickelt wurden, etwa das Klavier sich vom seidigen Hammer zum mächtigen Konzertflügel mauserte, schlägt sich die Entwicklung zum Soloinstrument auch im Schlagwerkinstrumentenbau nieder. Das mitzuerleben, fasziniert Benning.

Sieht man den 16-Jährigen im elterlichen Zuhause in Dachau am modernen, bunt schimmernden Drumset unter den Plakaten seiner Idole (Martin Grubinger, Jojo Mayer und andere) oder an seinem Marimbaphon spielen, das, im Erdgeschoss aufgestellt, mit seinen riesigen Klangstäben und Klangkörpern den gesamten Raum von der Tür bis zum Teegeschirr hinten im Vitrinenschrank ausfüllt, vermag man sich kaum vorzustellen, was an solch beeindruckendem Instrumentarium verbessert werden könnte. Viele Stunden übt Benning hier. Jeden Tag. Irgendwann zwischen Schule (er geht in die zehnte Klasse des Josef-Effner-Gymnasiums), Schlagzeugunterricht in Dachau und München, Klavierunterricht, Musikvorlesungen und Sport. Schlagzeugspielen ist eine körperlich fordernde Angelegenheit. Neben dem Laufen, Schwimmen und Hanteltraining hat Benning deshalb das Tischtennisspielen für sich entdeckt. "Der ideale Sport für mich."

Seinen ersten Schlagzeugunterricht erhielt Benning schon mit drei Jahren. Er besuchte die musikalische Früherziehung an der Dachauer Musikschule Klangwolke. Die Blockflöte fand er öde, die Liebe zum Schlagzeug aber war sofort erwacht. Benning führt dies auch auf seinen ungarischen Großvater zurück; die Musik osteuropäischer Zigeunerkapellen liebt er sehr. Sein Lehrer ließ Benning fortan nicht nur die Klangwelten des Schlagzeugs entdecken, sondern setzte auch auf eine solide Technikschulung. Als der Lehrer Dachau verließ, zog Benning in Norbert Siegls Dachauer Schlagzeugschule Drums um. Siegl wurde Bennings Förderer, gemeinsam mit den Lehrern Hans Trenker, Stefan Spatz und Harald Schuhbauer. Als sich abzeichnete, dass Benning sich nicht nur für Jazz, Rock und Reggae interessierte, sondern auch für das klassische Schlagwerk, besorgte Siegl zwei Pauken.

Doch wie kommt ein junger Schlagzeuger zur Klassik? Einmal spielte Benning bei der "Langen Tafel" des Roten Kreuzes für arme Menschen in Dachau. Im Publikum saß die Dachauer Musikerfamilie Schiela. Die Schielas vermittelten Benning den Kontakt zur Bayerischen Philharmonie. Dort suchte man für das Kinderorchester einen Schlagzeuger - kurz darauf paukte Benning Mozarts Titus-Ouvertüre. Mark Mast, Intendant der Bayerischen Philharmonie, hörte Benning den Xylofonpart aus Saint-Saëns "Karneval der Tiere" klöppeln und lud ihn zu einer Schlagzeugakademie ein. Außer ihm, dem damals Zwölfjährigen, waren nur erwachsene Studenten angemeldet. Wenn er nicht mithält, sagten die Dozenten zu Bennings Eltern, würden sie ihn wieder nach Hause schicken. Er blieb. Und Adel Shalaby, Dozent für Schlagzeug an der Münchner Musikhochschule, nahm ihn unter seine Fittiche. Mit 13 Jahren bestand Benning 2009 die Aufnahmeprüfung. Mittlerweile hat Benning Solokonzerte gegeben. Im Münchner Gasteig, in Stuttgart, bei Festakten in Berlin. Mit dem Jugendorchester der Bayerischen Philharmonie war er auf Südkorea-Tournee. 2010 wurde er Bundespreisträger bei "Jugend musiziert".

Hört und sieht man ihn spielen, weiß man, was an Bennings Musizieren überzeugt: eine festgegründete technische Souveränität, unaufdringlich aus körperlicher Ruhe entspringend. Doch die Mimik offenbart Bennings Hingabe, sein Gespür für die musikalische Dynamik. Was immer er spielt, ob eine knappe rhythmische Figur auf der Snare Drum, einen Groove am Drumset oder eine melodische Klangkollage auf dem Marimbaphon, die Musik ist exquisit abgestuft.

Mit dem seit 2011 bestehenden Munich Percussion Ensemble geht es im Herbst 2012 auf Konzertreise nach Ägypten. Doch seiner Dachauer Heimat bleibt Benning bei all dem fest verbunden. Als Drummer der JEG-Rockband "Jegsters", als Projektmusiker der Bigband Karlsfeld (in Karlsfeld spielte er mit Hugo Strasser zusammen) und der Dachauer Stadtkapelle, als treuer Schüler von Drums.

Wohin auch immer es Benning verschlägt, er beglückt seine Gastgeber mit Dachau-Bildband und Dachauer Pralinen. Dachaus historisches Erbe aus der Zeit des Dritten Reiches kann und soll ein solch jugendlich charmantes Geschenk in keiner Weise kaschieren. Doch Bennings Art, den Leuten gegenüberzutreten, wirkt verbindend: Es ist schon Jahre her, da kam er in eine tschechische Gastfamilie. Seine Gastmutter vermochte zunächst kaum mit ihm zu sprechen; ihre Familie hatte unter der Naziherrschaft Schlimmes erlitten. Benning hatte seine Pralinen mitgebracht, seine Freude an der Musik, seine Offenheit. Mittlerweile haben die Söhne der Familie viele Wochen bei Bennings in Dachau verbracht. "Musik versteht man als Sprache überall", sagt Benning. Der Satz könnte aus der Romantik stammen. Aber er trifft zu.

© SZ vom 16.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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