Kandidaten für den Tassilo 2018:Kulturdorf und Dorfkultur

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Das Konzert im historischen Ambiente des Tanderner Schlosses zieht jedes Jahr 500 Zuhörer aus ganz Oberbayern an. (Foto: Toni Heigl)

Vor fünf Jahren haben Bürger den Verein "Zukunft Tandern" gegründet. Jedes Jahr besuchen Hunderte von Klassikfreunden ihre Freiluftkonzerte am Schloss. Die Mitglieder setzen sich auch für den Erhalt von historischen Gebäuden und Biotopen in Hilgertshausen-Tandern ein.

Von Benjamin Emonts, Hilgertshausen–Tandern

Außerhalb des Landkreises Dachau war die Ortschaft Tandern jahrelang nur aus dem Kino oder durch ihre schon fast legendäre Feindschaft mit dem Nachbarort Hilgertshausen bekannt, mit dem sie in der Gebietsreform 1978 eine Zwangsehe eingehen musste. Der renommierte Regisseur Marcus H. Rosenmüller drehte in Tandern seine erfolgreiche Trilogie "Beste Zeit", "Beste Gegend", "Beste Chance", zu der die einheimische Karin Michalke das Drehbuch lieferte. Dank eines Vereins namens "Zukunft Tandern" gilt die 1300-Einwohner-Ortschaft inzwischen aber auch als Spielstätte für anspruchsvolle Musik. Das große Schlosskonzert, das der Verein seit 2013 veranstaltet, zieht jedes Jahr namhafte Musiker und Gäste bis aus Aichach, München und Augsburg an.

Tanderner Bürger haben den Verein "Zukunft Tandern" vor fünf Jahren ins Leben gerufen, um, wie sie sagten, der eingeschlafenen Ortschaft "neues Leben einzuhauchen". Mit dem alljährlichen Schlosskonzert ist ihnen das auf grandiose Weise gelungen. Mit 500 Besuchern ist das Konzert unter freiem Himmel im Innenhof des Schlosses immer restlos ausverkauft. Das Schloss und sein historischer Garten, die sich in Privatbesitz befinden, sind an diesem Tag für die Öffentlichkeit ausnahmsweise zugänglich. Zu klassischer Musik werden in den Schlossarkaden Rotwein, Käsehäppchen und verschiedene Aufstriche zu Brezen gereicht. "Das kommt unwahrscheinlich gut an", schwärmt Hans Glas, der Vorsitzende des Heimatvereins.

"Mit unserem Schlosskonzert haben wir ein Alleinstellungsmerkmal"

Das musikalische Programm des Konzerts kann sich ebenfalls sehen lassen. Im vergangenen Jahr wurde Carls Orffs berühmte szenische Kantate "Carmina Burana" mit 150 Musikern aufgeführt, darunter hochrangige Solisten wie die Opernsängerin und Sopranistin Elisabeth Maria Wachutka, der Tenor Wolfgang Antesberger oder Bariton Johannes Kammler. Beim diesjährigen Schlosskonzert am Samstag, 7. Juli,treten die Regensburger Domspatzen auf. Auch heuer werden wieder Kinder aus der Ortschaft und Umgebung beim Konzert mitsingen. Den Ausklang gestalten wie jedes Jahr die Tanderner Saitentratzer. Die Karten dürften erfahrungsgemäß flott vergriffen sein. "Mit unserem Schlosskonzert haben wir ein Alleinstellungsmerkmal", sagt Glas. "Die Veranstaltung ist sehr bedeutend für den Ort."

Hans Glas, der Vorsitzende des Vereins "Zukunft Tandern", setzt sich mit seinen Mitbürgen seit Jahren für die Renovierung des Vollmair-Hauses ein. (Foto: Toni Heigl)

Doch der Verein ist noch vielseitiger. Zeitgleich mit der Eröffnung des Münchner Oktoberfests zelebrieren die Tanderner ihren eigenen Bieranstich um Punkt zwölf Uhr, den der Bürgermeister Markus Hertlein (parteilos) vollzieht. Zu dem Dorffest kommen jedes Jahr 300 Einheimische, die meisten in Tracht. Die Langenpettenbacher Blasmusik schafft zünftige Volksfestatmosphäre. "Die Leute können bei uns dem großen Trubel aus dem Weg gehen. Und bei uns gibt es keine Alkoholleichen", nennt Glas die Vorzüge der Veranstaltung.

Im Tanderner Sportheim bietet der Verein einmal im Jahr Kleinkunst und Kabarett an. Wo die Sportler sonst Bundesliga schauen, wird italienisches Buffet aufgetischt. Für einen geringen Eintritt bekommen die 80 Zuschauer Musik, Vorträge und launige Einlagen präsentiert.

Im Jahr 2016 stand etwa die einheimische Drehbuchautorin Karin Michalke mit ihrer Kollegin Anni Reisberger auf der Bühne mit ihrem Programm "Wuide Hena". Die nächste Veranstaltung ist geplant im Herbst mit "Kabinettsstückl". Unter diesem Namen haben sich neun Münchner Schauspieler, Bücher- und Geschichtenschreiber, Liedermacher und Vortragende zusammengefunden, um im Sinne der unvergessenen Münchner Volksschauspieler und der Wiener Kaffeehausliteratur überwiegend selbst verfasste Geschichten, Spottlieder, Sketche und Musikstücke darzubieten. Darin kommen genauestens beobachtete Alltagsszenen, aber auch spöttische Lieder, Verse und Geschichten über die bayerischen und österreichischen Beziehungskisten vor.

Als eine zentrale Aufgabe erachtet der Verein seinen "Einsatz zur Erhaltung der Kulturlandschaft", wie Glas betont. Die Mitglieder pflegen und erhalten mehr als 40 Biotope in der Umgebung. Die Ilmquelle haben sie neu eingefasst, hergerichtet und mit einer Stele versehen. In Anlehnung an die Drehorte der Beste-Trilogie ist geplant, einen Hörpfad mit Infotafeln anzulegen. Seit Jahren setzt sich der Verein vehement für die Renovierung des maroden Vollmair-Hauses im Ortszentrum ein. Das mehr als 200 Jahre alte denkmalgeschützte Gebäude dümpelt seit Jahren vor sich hin. Hans Glas und seine Mitstreiter suchten immer wieder das Gespräch mit den Besitzern des Hauses, der Familie Altmann, der auch das Tanderner Schloss gehört. Inzwischen gibt es Hoffnung, dass das Gebäude zeitnah renoviert werden könnte. Nach derzeitigem Stand sollen im Obergeschoss Wohnungen und im Erdgeschoss ein Bürgerraum eingerichtet werden. Ein Platz, an dem das kulturelle Leben in Tandern weiter aufblühen soll.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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