Kandidat für den Tassilo 2018:Der Pädagoge

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Der Dirigent und Komponist Jürgen Rothaug sucht sich je nach Konzertthema den passenden Auftrittsort. Mal das Schloss Dachau, mal das Industriegelände der früheren MD-Papierfabrik. Wichtig ist ihm, junge Menschen für die Musik zu begeistern.

Von Adolf Karl Gottwald

Dachau ist zu beneiden und wird beneidet, und zwar vom Konzertpublikum der Region München. Es geht um den herrlichen Renaissance-Festsaal im Schloss mit seiner wunderbaren Akustik. Aber Dachau hat noch mehr in dieser Richtung zu bieten, zum Beispiel drei Kirchen mit beachtlichen Kirchen- und auch Orgelkonzerten, Säle für eher regionale Veranstaltungen im Ludwig-Thoma-Haus. Wer meint, dass das reicht, der gibt sich mit kulturellen Veranstaltungen im konventionellen Rahmen zufrieden. Wer aber meint, dass es auch ganz anders gemacht werden kann, dass Kultur grundsätzlich mit Kreativität verbunden sein soll, und wer das mit seinen Veranstaltungen auch zeigt, das ist Jürgen Rothaug. Eigentlich kennt man ihn in Dachau recht gut, denn dort war er 16 Jahre lang Lehrer an der Realschule und leitete 24 Jahre lang den Volkschor Dachau. Doch wer nicht mehr von Jürgen Rothaug weiß, hat seine Persönlichkeit bei weitem nicht erfasst. Beginnen wir mit seinem Werdegang.

Geboren wurde Jürgen Rothaug auf dem Schlossgut Groß-Eichau bei Breslau, er wurde mit der Schlosskutsche zur Taufe gefahren. Das klingt großartig, ist aber nur dem damaligen Aufenthalt und den freundschaftlichen Beziehungen seiner Eltern zu danken. Mehr Bedeutung bekam die Tatsache, dass Jürgen Rothaug am 2. Juli 1944 geboren wurde, also am Geburtstag von Christoph Willibald Gluck - nur 230 Jahre später, so dass er am 2. Juli 2014 seinen 70. Geburtstag am 300. Geburtstag von Gluck feiern konnte. Inwiefern das musikalische Geburtsdatum für Rothaugs Lebensweg prägend wurde, wird nachfolgend beschrieben.

Mit dreieinhalb Jahren erstmals auf der Bühne

Seine Eltern waren keine Schlesier sondern Unterfranken aus Marktheidenfeld und Kitzingen am Main. Jürgen besuchte das Gymnasium in Würzburg und wurde für drei Jahre zu den Benediktinern nach Münsterschwarzach geschickt, wo er unter anderem den Gregorianischen Choral kennenlernte, eine musikalische Erfahrung, die ihn ein Leben lang beschäftigte. Nach Würzburg zurückgekehrt, machte er sein Abitur und studierte am dortigen Konservatorium. Seine ersten Bühnenerfahrungen aber machte Jürgen bereits in früher Kindheit. Sein Vater war Regisseur am Würzburger Theater und stellte ihn schon im Alter von dreieinhalb Jahren auf die Bühne. Dieses frühe Erlebnis hinterließ bei ihm einen so starken Eindruck, dass es letztlich seine künstlerische Laufbahn bestimmte.

Jürgen Rothaug zog nach München, bestand die Aufnahmeprüfung an der Staatlichen Musikhochschule bei Harald Genzmer und studierte Gesang bei der in München bewunderten Opernsängerin Anneliese Kupper und privat beim damals ebenso bekannten Bariton Karl Schmidt-Walter. Das künstlerische Staatsexamen für Oper- und Konzertgesang bestand er 1970, kam an die "Junge Oper" und wurde Chorsolist beim Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung des gerade auch in Dachau wohlbekannten Professors Fritz Schieri. Auf Anraten von Anneliese Kupper sicherte er sich ein berufliches Standbein bei der Realschule Dachau mit ständigem Kontakt zur Musikhochschule München, wo er für Sprecherziehung und musikalische Didaktik zuständig war - bis zu seiner Berufung an die Universität Eichstätt mit einem akademischen Lehrauftrag für besondere Aufgaben.

Rothaug will den Menschen "die Musik näherbringen, hörbar machen, darstellen"

In Dachau begann Rothaugs musikalisches Wirken mit der Übernahme des Volkschors aus den Händen des unvergessenen Dachauer Musikers August Peter Waldenmaier. Rothaug will den Menschen "die Musik näherbringen, hörbar machen, darstellen". Unter seiner Leitung wuchs der Chor von 25 Sängerinnen und Sängern auf 40, wobei er vor allem auch junge Leute ansprechen konnte. Junge Leute zur Musik zu bringen - das war und blieb Rothaugs wichtigstes Anliegen, alle von ihm gegründeten Ensembles sind jung besetzt. Sein Bestreben in dieser Richtung gipfelte 1997 in einer Jugend-Musical Gala und der ersten CD mit 60 aktiven Jugendlichen.

Besonders zu rühmen ist in diesem Zusammenhang seine Zusammenarbeit mit Schönbrunn und der Dachauer Greta-Fischer-Schule, wo er eine Arbeitsgruppe Singen betreut. Man sieht, Rothaugs "pädagogisches Standbein" ist außerordentlich tragfähig. An seine künstlerischen Ruhmestaten sei nur in einer Auswahl erinnert.

Jürgen Rothaug vermeidet ausgetretene Pfade der Musikvermittlung, also beliebige Konzerte im traditionellen Rahmen. Er hat eigenwillige, aber immer klar profilierte Konzert-Ideen und sucht dafür jeweils das passende Ambiente. Ein Renaissance-Fest in Kostümen der Zeit fand natürlich im Renaissance-Festsaal des Dachauer Schlosses statt, aber für seine "Music-Emotion" mit Musik, aufsteigend von Renaissance und Barock bis zur Wiener Klassik bot sich der Dachauer Wasserturm an, wo jede Epoche der Musik ein eigenes Stockwerk hatte, und der Aufstieg mit Treppensteigen physisch erlebbar wurde. Franz Schuberts Singspiel "Die Freunde von Salamanca" inszenierte er als Freilicht-Aufführung, doch sein größtes Wagnis und letztlich sein größter Erfolg war seine Idee, Musik und Theater in Räume der aufgelassenen Papierfabrik zu bringen. Premiere war Glucks Oper "Echo und Narcisse" als doppeltes Geburtstagsevent (300 Jahre Gluck, 70 Jahre Rothaug). Darauf folgten 2015 "Mozart und Pop-Art", 2016 ein Holocaust-Gedenkkonzert und 2017 das Musical "Viorica und die Vampire".

© SZ vom 22.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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