Kampagne gegen Wohnungsnot:Hilfeschrei

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Von den Männern gequält und ohne Perspektiven. (Foto: dpa)

Das Frauenhaus Dachau wendet sich an die Bürger des Landkreises und die Immobilienunternehmen, ihnen zu helfen. Denn die Mütter mit Kindern brauchen Schutz, den ihnen nur eine Wohnung bieten kann

Von Petra Schafflik, Dachau

Vor dem winzigen Igluzelt stapeln sich bunte Gummistiefel neben einem Schulranzen und einer Rolle Klopapier. "Bitte klopfen" steht am Zelteingang, hinter dem eine junge Frau mit Baby kauert. Was wie ein Schnappschuss aus einem Katastrophengebiet wirkt, ist der inszenierte Albtraum von Frauen aus dem Landkreis. Als Opfer häuslicher Gewalt haben sie mit ihren Kindern Zuflucht gefunden im Frauenhaus. Doch aus dieser Schutzzone gibt es kaum noch einen Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben, in eine eigene Wohnung. Grund dafür ist die massive Wohnungsnot in der Region.

"Die Situation wird immer hoffnungsloser, die Frauen haben einfach keinerlei Perspektive", sagt Sozialpädagogin Angelika Huber, die mit zwei Kolleginnen die Frauen in der Schutzeinrichtung betreut. Weil klassische Strategien der Wohnungssuche längst nicht mehr funktionieren, haben die verzweifelten Frauen jetzt die kreative Postkarten-Kampagne gestartet. "Eine Aktion gegen die Ohnmacht."

Die Motive kommen fast beschaulich daher, werden als Foto im vergoldeten Bilderrahmen vor Blümchentapete präsentiert. Doch bei genauerem Hinsehen wird rasch klar, dass es nicht um Impressionen aus einem chaotischen Campingurlaub geht. Sondern um die Horrorvision von Frauen, die keinen Ausweg sehen. Die irritierenden Textzeilen lassen ahnen, durch wie viele Immobilienanzeigen sich die Bewohnerinnen bereits erfolglos geklickt haben. "Ruhige Lage und traumhafter Blick - muss nicht sein, aber bezahlbar!" ist da zu lesen. Auch auf "schick und zentral" können die Frauen verzichten.

Was alleine zählt, ist der Preis. Denn viele Frauen, die vor ihrem prügelnden Partner ins Schutzhaus geflohen sind, müssen erst einmal staatliche Leistungen beziehen. Und der Jobcenter übernimmt die Miete nicht in unbegrenzter Höhe: Maximal 651 Euro darf die Kaltmiete für eine Mutter und zwei Kinder in Dachau oder Karlsfeld beispielsweise kosten, im Landkreis liegt das Limit für so eine dreiköpfige Familie bei 498 Euro.

"Chancenlos", sagt Sozialpädagogin Angelika Huber. Die Situation sei für Frauen aus der Schutzeinrichtung schon länger schwierig, werde aber immer hoffnungsloser. Wo vor einiger Zeit noch Auswege eröffnet und Notlösungen gefunden werden konnten, ergebe sich aktuell schlicht nichts mehr. Auch für Sozialwohnungen betrage die Wartezeit bereits drei Jahre. Die Folgen dieser Wohnungsnot sind gravierend. Zum einen für die betroffenen Frauen, von denen einige nach Monaten verzweifelt aufgegeben haben. Und zurückgekehrt sind zu ihrem gewalttätigen Partner. Andere ziehen freiwillig in eine Obdachlosenunterkunft. Aber auch auf das Frauenhaus und seine Funktionsfähigkeit hat die Wohnungsnot indirekte, aber gravierende Auswirkungen. Wenn nämlich Schutzsuchende viel länger als das übliche halbe Jahr bleiben müssen, werden die wertvollen Schutzplätze blockiert, müssen andere Frauen in Not abgewiesen werden.

Als Akt gegen die Verzweiflung ist nun die Postkarten-Kampagne zu sehen, mit der sich die Frauen persönlich an Immobilienmakler und Kommunalpolitiker wenden. "Wir haben Migrationshintergrund, wir sind deutsch, wir sind weiß, wir sind schwarz, wir tragen Kopftuch oder nicht, wir haben Kinder oder auch nicht, wir sind alleinerziehend, wir arbeiten, wir bekommen Geld vom Jobcenter, wir sind bunt - na und?" Was die Frauen eint ist ihr Schicksal: "Wir haben häusliche Gewalt erlebt und wir suchen eine Wohnung!" Ins Zelt oder ins Auto wird keine der Frauen ernsthaft umziehen, doch die Rückkehr zum prügelnden Partner oder der freiwillige Gang in die Obdachlosigkeit sollte keine Option sein müssen.

Die Frauen in Not freuen sich deshalb über jedes Wohnungsangebot mit bezahlbarem Mietzins. Kontakt unter Frauenhaus 08131/514726 oder frauenhaus@awo-dachau.de.

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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